Vergleichsobjekte
Bodenstanduhr mit Flötenuhr, ehemals im Berliner Schloss (Auktion Christie’s Amsterdam, 2016, Sale 12421, Los Nr. 120), zwei weitere dieses Typs in Privatbesitz
Material/Technik
Blindholz: Kiefer; Mahagoni, furniert, Details en grisaille bemalt; Gelbguss, ziseliert, vergoldet; Glas, geschliffen; Email; Messing; Stahl
Maße
Höhe gesamt 289,5 cm, Breite 89,5 cm, Tiefe 61 cm; Höhe Postament 106 cm, Höhe Säule 140 cm, Höhe Säulenplinthe 8,2 cm, Höhe Vasenaufsatz 30 cm, Höhe Vasensockel 4,5 cm, Höhe gesamt Vasenaufsatz 34,5 cm
Das zweiteilige Uhrgehäuse besteht aus einem hohen Postament und einer darauf gesetzten Säule mit Vasenbekrönung. Das Postament ruht nicht, wie bei solchen Uhren häufig anzutreffen, auf Füßen oder Rollen, sondern auf zwei durchgehenden Leisten auf der rechten und linken Seite. Die Füllungen der drei Schauseiten des Postaments wären bei einer Uhr mit Musikwerk als Schalllöcher mit einer textilen Bespannung ausgebildet. Häufig befand sich über dem Textil ein hölzernes Lattenwerk, das mitunter mit vergoldeten Ornamenten verziert war. Falls es in dieser Uhr ursprünglich ein Musikwerk gegeben hat, sind die jetzt vorhandenen Füllungen aus mahagonifurniertem Holz nicht mehr original. An der inneren Rahmenkonstruktion sind mit Holz ausgebesserte kleine Stellen sichtbar, an denen sich früher die Verriegelungsverschlüsse für die als Klappen ausgebildeten Füllungen befunden haben könnten. Heute sind die beiden Seitenfüllungen fest mit dem Rahmen verbunden, während die vordere als Tür ausgebildet ist.
Beide Seiten werden durch aufgesetzte ovale Holzplatten mit Grisaillemalerei (Malerei in Grau-, Weiß- und Schwarztönen) geziert: weibliche, antik gewandete Figuren, links mit zwei Blasinstrumenten, rechts mit einer Lyraharfe. Diese gemalten Instrumente nehmen Bezug auf die vergoldete Gelbgussdekoration am Uhrengehäuse. Über der Zifferblattrahmung befindet sich ein Arrangement aus einer Lyra und zwei sich kreuzenden Blasinstrumenten, letztere bilden auch die obere Verzierung der ovalen Platten an den Seiten. Die Kombination aus diesen bemalten Ergänzungen und den ursprünglich vorhandenen vergoldeten Applikationen wirkt wenig harmonisch. In ähnlicher Art wie die seitlichen ovalen Platten ist auch die Dekoration der Vorderseite gestaltet: ein verschlungenes „B“ aus geschliffenen Glassteinen auf einer ovalen mahagonifurnierten Platte, die im unteren Teil von aus einem Pinienzapfen wachsendem Rankenwerk mit Füllhörnern aus kräftig vergoldetem Gelbguss gerahmt ist. Im oberen Teil sind zwei möglicherweise nicht im Original zugehörige Blütenranken aufgesetzt. Sie wirken weniger massiv und weisen einen anderen Goldton auf als die Füllhörner. Das dekorative „B“ auf der Front ist wahrscheinlich eine spätere Zutat und verweist vielleicht auf den Namen des früheren Besitzers.
Das Email-Zifferblatt (D: 20,5 cm) befindet sich etwa in der Mitte der Säule. Es sitzt in einem querrechteckigen, ebenfalls mahagonifurnierten Feld, das von einem Segmentbogen und einem seitlich schräg gestellten, verkröpften Gebälk mit darunterliegenden Voluten gerahmt wird. Die Voluten sind durch eine vergoldete Lorbeerblattgirlande miteinander verbunden. Über dem Zifferblatt zieren die oben erwähnten, mit Blättern arrangierten vergoldeten Musikinstrumente die Front, darunter liegen zwei vergoldete Rosetten. Im oberen Bereich der Säule hängt eine weitere Blattgirlande, im unteren Bereich sind die Kanneluren mit vergoldeten Rundstäben, sogenannten Pfeifen, ausgefüllt.
Das rückseitige Brett der Säule fehlt. Möglicherweise hängt dies mit einem ehemals dort vorhandenen Kasten für den Gewichtaufzug des Musikwerks zusammen, der an der Rückseite durch die Plinthe der Säule bis in das Postament verlief. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass das innere Zwischenbrett zwischen Postament und Säule, das heute durchgängig verschlossen, früher aber offen gewesen sein muss, nicht original ist. Auch sind am Rückbrett des Postaments ein schmaler Rücksprung und davor im Bodenbrett drei ausgebesserte, ein Rechteck bildende Streifen erkennbar, die ursprünglich Nutöffnungen für den aufgesetzten Kasten gewesen waren. Bei einem gleichen Säulenuhrtyp mit Flötenwerk von Christian Ernst Kleemeyer in Privatbesitz ist dieser Kanal für den Gewichtaufzug noch vorhanden.
Das runde Vollplatinenwerk aus Messing mit unten geradem Abschluss (Platine: H: 16 cm, B: 14 cm, T: 0,28 cm, Werkpfeilerhöhe: 4,45 cm) besitzt ein Halbstundenschlagwerk (Rechenschlagwerk) mit einem Hammer auf eine Glocke; ferner Federantrieb mit umlaufenden Federhäusern, rückführende Ankerhemmung. Die zylindrischen Werkpfeiler sind in der Mitte leicht gebaucht und an den Platinen mit einer Wölbung ausgebildet. Das nicht mehr vorhandene Pendel besaß eine Fadenaufhängung. Typisch für Berliner Bodenstanduhren dieser Zeit ist das leicht schüsselförmige Email-Zifferblatt, das auf der Rückseite im Konteremail die Initialen “L B” für den in Friedrichsthal bei Oranienburg und später in Berlin tätigen Zifferblatthersteller Louis Buzat aus Genf aufweist. Die Stundenanzeige erfolgt durch größere arabische Ziffern, die Fünfminuten-Markierungen mit kleineren arabischen Ziffern; Minuterie mit Punkten, die Fünfminuten etwas stärker. Die vergoldeten Messingzeiger in barocker Form sind durchbrochen gearbeitet und sehr fein graviert und ziseliert. Zwei Aufzugslöcher liegen im Zifferblatt bei 4 und 8 Uhr. Eine Feinregulierung des Werks erfolgt auf 12 Uhr. Unter dem Zifferblatt gibt es an der Säule des Gehäuses einen Holzzapfen, an dem sich eventuell früher eine Regulierung für das Spielwerk (zur An- oder Abstellung) befunden hat. (Franka Görike, Silke Kiesant)