Ein Blick in eine schlicht eingerichtete Schneiderwerkstatt: Im Mittelpunkt steht ein Kunde, an dem der Schneidermeister kniend Maß nimmt, auf dem Schneidertisch rechts näht ein Geselle oder Lehrjunge, am Tisch links unter dem Fenster bügelt ein zweiter Geselle. An einem Brett mit Haken hängen zwei Gewänder, außerdem weiße Stoffstreifen. Die Darstellung ist eingerahmt von den wichtigsten Werkzeugen des Schneiders: ein Maß zum Abnehmen der Körperproportionen, einen Fingerhut, eine Nadel, ein Bügeleisen, eine Schere, ein Ellenmaß sowie ein Zentimetermaß.....Das Blatt stammt aus einer Folge von dreißig Bildern von Werkstätten aus dem Verlag Jakob Ferdinand Schreiber in Esslingen. Zu den Darstellungen gehört ein Text, der die Berufe und deren wichtigsten Tätigkeiten erläutert. Die Ausführungen über den Schneider sind relativ kurz, weil es nur wenige Arbeitsgänge und Werkzeuge zu beschreiben gab. Sie umfassen den Hinweis auf die verarbeiteten Materialien und die Mode, der das Handwerk unterlag. Die Arbeitsteilung im Handwerk war theoretisch klar gegeben: Der Meister nahm Maß und schnitt zu. Das Zuschneiden galt als die verantwortungsvollste Tätigkeit, bei der möglichst kein Verschnitt anfallen sollte; sie wird allerdings auf der Darstellung nicht gezeigt. Gesellen oder Lehrjungen nähten die Stoffe zusammen, deren Nähte sie anschließend gegebenenfalls flach bügelten.....Die Bildfolge kam zu einem Zeitpunkt auf den Markt, zu dem in den meisten deutschen Territorien die Zünfte aufgelöst worden waren und sich mit der Ausbreitung von Organisationsformen wie dem Verlagssystem viele handwerklich orientierte Berufe grundlegend veränderten. Seit den 1820er-Jahren erhielten Schneider große Konkurrenz durch die Konfektionsherstellung. Im Verlagssystem wurden Kleider in bestimmten Größen bereits vorgefertigt, die Maßanfertigung, die auf dem Bild gezeigt wird, verlor an Bedeutung. Die Darstellung ist vor diesem Hintergrund als ein Idealbild anzusehen, das aber durchaus realistische B