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Krankenhausmuseum Bielefeld e.V. Tonsillektomie (TE) und Adenotomie (AT)

Tonsillektomie (TE) und Adenotomie (AT)

Unter einer Tonsillektomie (TE) versteht man die Entfernung der Gaumenmandeln, die sich beidseits des des Zäpfchens am Mundrachen befinden. Eine Adenotomie (AT) wird im Volksmund als Polypenentfernung bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um die Entfernung der chronisch entzündeten Rachenmandel durch die Mundhöhle, die sich am Ausgang der Nasenhöhle zum Rachen befindet (im Nasenrachen). Beide Organe gehören zum lymphatischen Rachenring.

So genannte "Nasenpolypen" behandelte man Mitte des 19. Jahrhunderts u.a. folgendermaßen: Im ersten Stadium sollte Schnupfpulver ausreichen, bestehend aus Lorbeer-Rinde, Entenfuß-Wurzel und Blutwurzel. Mann sollte z.B. einen Lappen nass machen, diesen in das Pulver tauchen und dann in die Nase schieben.
Andernfalls wurde empfohlen, den Polypen mit einer chirurgischen Zange zu zerquetschen und dann das Pulver hinaufzutun. "Das wird den Auswuchs allmählich ertödten" (Gunn, J. C. (1866): Gunn's Neuer Hausarzt oder Handbuch der Gesundheit. Ein vollständiger Leitfaden für Familien, S. 616, EPV125-GB).

In den 1950er Jahren werden nach einer ganzen Reihe von Indikationen (z.B. nach häufigen Anginen, mehrmals im Jahr, bei allgemeinen Störungen des Körpers, für die die chronische Tonsillitis als Fokus angesehen werden muss) auch bestimmte Kontraindikationen aufgeführt, z.B. bei akuten Entzündungen und bei Blutungsneigung). Zurückhaltend solle man sein bei "Menschen, bei denen eine Neigung zu Rachenkatarrhen ... vorhanden ist". Vorweg heißt es: "Fast stets ist die vollständige Ausschälung der Mandeln, die Tonsillektomie, nötig (Knick/Eigler 1952, S. 166).

Bei der septischen Angina werden Silberinjektionen (Arguchrom Merck) empfohlen, die sich bei Kindern als besonders erfolgreich erwiesen haben (Heilmeyer 1942, S. 287)

Auf der einen Seite wird im Standardwerk von Zöllner (1974) nur eine Kontraindikation gegen eine Tonsillektormie aufgeführt, nämlich "Trockenheit der Schleimhäute", auf der anderen Seite wird bei Kindern Zurückhaltung der der Indikationsstellung zur Tonsillektomie empfohlen, da "die Tonsillen für den Aufbau der immunologischen Aufgaben im Rahmen des lymphatischen Rachenrings eine wesentliche Rolle spielen" (Zöllner 1974, S. 226/227). Derselbe Autor: Die "Gaumenmandeln scheinen ... keine spezifische, sondern nur eine quantitativ bedeutsame Funktion zu erfüllen" (Zöllner 1974, S. 213). Um die Wende zum 20. Jahrhundert wusste man dies offenbar noch nicht und sah die Tonsillen als per se krankhaft an und operierte dementsprechend möglichst alle Menschen, wie aus den USA überliefert ist (mündliche Aussage Dr. Lübbers 2020). In einer Studie aus dem Jahr 2018 wird über einen 2-3fachen Anstieg der Häufigkeit von Infektionen der oberen Atemwege nach Tonsillektomie festgestellt . Die häufigste Komplikation nach einer Tonsillektomie ist die Nachblutung. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 1 bis 6 % auf (Wikipedia 2020). Daher ist es "besondere Aufgabe der Schwester, in den ersten Stunden, jedoch auch noch in der ersten Nacht, besonders sorgfältig auf eine Nachblutung, die häufigste Komplikation der Tonsillektomie, zu achten". Ursache ist insbesondere der Wiederanstieg des Blutdrucks. Um Erstickungszustände zu vermeiden, müssen die Kranken aufgefordert werden, sich im Munde sammelnde Flüssigkeit in eine bereitliegende Schale zu entleeren. Gelegentlich tritt eine Nachblutung noch am 4.-6. Tag infolge des Ablösens von Wundbelägen auf, daher belässt man die Kranken 4-7 Tage nach der OP in klinischer Behandlung und Beobachtung (Fleischer 1980, S. 126). Zum Auffangen von Blut und Speichel wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eine Speitasche eingesetzt, entweder aus "Patentgummi", aus wasserfestem Papier oder "aseptisch und sehr leicht" aus Metall (Med. Waarenhaus 1910, S. 187).

In der Ausstellung wird ein Szenarium mit einem Patienten im Untersuchungssessel gezeigt, der für eine solche Operation vorbereitet ist. Wichtige der für eine TE bzw. eine AT benötigten Instrumente sind hier zusammengefasst (Fleischer 1980, S. 266-269). Die Abbildung zeigt eine Auswahl der dabei benötigten Instrumente:
CPV006 Adenotom nach La Force
CBM126 Gaumenhaken nach Nager
CBM133 Mundsperrer
PPV039 Nahtmaterial Dr. Vömel
CBM136 Nahtschere mit langem Griff
CPV005 Nasenpolypen-Schnürer
CPV004 Sauger nach Yankauer
CBM123 Tonsillektomie-Arterienklemme nach Nissen
CPV003 Tonsillenabszesszange nach Thilenius
CPV008 Tonsillenbett-Nadel
CBM127 Tonsillen-Fasszange nach Blohmke
CPV010 Tonsillen-Kürette
CPV020 Tonsillen-Raspartorium nach Henke
CBM128 Zange nach Colver
APV073 Zungenspatel nach Brünings

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Zange nach Colver

Zange nach Colver, an der Spitze quer scharf gezahnt. Griff einseitig offen, für Verwendung einer Schlinge. Aufdruck: Karl Storz Germany 750800 ES. Das Instrument diente als Tonsillen-Fasszange.

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