Der Römerwein aus dem Weinmuseum des Historischen Museums der Pfalz gilt als der älteste flüssig erhalten gebliebene Traubenwein der Welt. Er ist annähernd 1700 Jahre alt. Im Jahre 1867 wurde er bei der Anlage eines Weinberghäuschens im Südwesten der Stadt Speyer in der Gewanne "Rotschild" am "Rosensteiner Hang" entdeckt. In den beiden dort gefundenen römischen Gräbern fand sich die Flasche neben anderen Grabbeigaben. Im Frauengrab lagen sechs, im Männergrab zehn weitgehend unversehrte Glasgefäße. Sie waren alle leer – mit Ausnahme der Flasche mit dem Römerwein. Es ist davon auszugehen, dass auch die anderen Gefäße einmal gefüllt waren, denn nach den damaligen Glaubenvorstellungen benötigten die Verstorbenen eine Wegzehrung für ihre Reise ins Jenseits. Neben Lebensmitteln wurden auch Salböle und wohlriechende Essenzen beigegeben. Nicht alle Gefäße können heute zweifelsfrei dem einen oder dem anderen Grab zugeordnet werden, da 1867 nur eine sehr einfache Fundskizze angefertigt wurde. Die beiden Steinsarkophage von 1867 gehören zu einer Gruppe von Körpergräbern, die nach 300 n. Chr. am Stadtrand von Speyer (dem antiken „Noviomagus“) entlang der römischen Rheinuferstraße angelegt wurden. Die Beigabensitte, befüllte Keramik- und/oder Glasgefäße ins Grab zu legen, ist typisch für diese Zeit. Die aufgefundenen Glasgefäße gehören im weitesten Sinne zum Formenkreis spätrömischen Trinkgeschirrs. Dem Männergrab können drei Gefäße, darunter die Flasche mit dem ”Römerwein”, sicher zugeordnet werden. Die zylinderförmige Glasflasche mit flach angesetztem Hals und zwei Henkeln in Delphinform enthält einen flüssigen, klaren Bodensatz und zu mehr als zwei Dritteln ein festes, harziges Gemisch. An Wein mag man dabei zunächst nicht denken, doch ergaben Analysen aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts, dass es sich zumindest bei der Flüssigkeit im unteren Teil ursprünglich um Wein gehandelt haben muss. Wein, von dem der frühere Direktor des Historischen Museums der Pfalz Prof. Dr. Otto Roller nicht ohne Grund annahm, dass es sich um Pfälzer Wein handeln müsse. Eine plausible Erklärung dafür, dass sich gerade in dieser einen Flasche ein Rest erhalten hat, könnte darin gesehen werden, dass vermutlich bei der Grablegung zum guten Schluss nur noch wenig Wein, aber noch viel Öl und Würzmischung übrig waren. Öl benutzten die Römer üblicherweise, um den Wein von der Luft abzuschließen. Korkverschlüsse waren zwar damals bereits bekannt, aber für die dünnwandigen Glasflaschen nicht geeignet. Der wenige, übrig gebliebene Wein wurde also wohl in die Glasflasche gegossen, darüber der erheblich größere Rest an Öl und Würzmischung. Dies zusammen bildete schließlich in einer sich verhärtenden Form einen so dichten Pfropf, dass der ”Römerwein” bis heute erhalten blieb.
Der Weinhistoriker Friedrich von Bassermann-Jordan wusste davon zu berichten, dass man 1808 in Ruppertsberg und 1838 in Großkarlbach dem Römerwein ähnliche Flaschen in Steinsärgen gefunden habe und dass „die Arbeiter (...) den Inhalt an der Fundstelle ausgetrunken haben (sollen)“. Wenn man sich den Speyerer Römerwein anschaut, mag man kaum glauben, dass jene Arbeiter bei den unbekannt gebliebenen Römerweinen aus Ruppertsberg und Großkarlbach großen Trinkgenuß empfunden haben.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Römerwein – diese Ikone der historischen Weinkultur – ausgerechnet auf dem Grundstück eines Brauereibesitzers gefunden wurde. Heinrich Weltz, Inhaber der Sonnenbrauerei in Speyer, schenkte den Römerwein 1869 dem im gleichen Jahr gegründeten Historischen Museum der Pfalz.
(Ludger Tekampe)