SW Fotografie als Ansichtskarte mit Bildmotiv: Bahnhof Landegem. Karte im Hochformat, oben handschriftlich: "Bahnhof Landegem (Gent = Brügge) 27.11.1914". Rückseitig Postkartenvordruck, vollständig beschrieben und unterzeichnet durch Daenicke. Als Ansichtskarte ungelaufen. Ansicht zeigt den Bitterfelder Amtsgerichtsrat Max Daenicke auf dem Bahnhof in der belgischen Gemeinde Landegem. Hinter ihm Schneemann und auf dem Boden liegende Flagge (wahrscheinlich in den Reichsfarben: schwarz-weiß-rot). Im Hintergrund Schild mit französischer Aufschrift. Daenicke gekleidet in Marschstiefel (wahrscheinlich Typ M1866), Mantel und Schirmmütze. Rückseitig Text von Dänicke an Obst [unvollständig]:
Transkription [rekonstruiert]:
"Landegem bei Gent, 7.12.1914. … Wenn ich an meine liebe Vaterstadt denke, - und Sie werden mir glauben, daß dies oft geschieht, - dann kehre ich wie einst in schöner Friedenszeit auch im Museum gern und oft ein, und ich habe mich schon gefragt: welche Schätze von Kriegserinnerungen mag Herr Obst schon in seiner "Kriegsmappe" gesammelt haben! Die Zahl der Bitterfelder die das Vaterland verteidigen helfen, ist ja so groß, und sicherlich haben viele von ihnen Gewaltiges mit erlebt und getan. Ich selbst habe nur in bescheidener Weise mitwirken können, aber ich habe doch auch "Pulver gerochen" und bin unter platzenden Granaten und Schrapnells an der Spitze meiner Kompagnie gegen einen verschanzten unsichtbaren Feind vorgegangen. Und wenn das Gefecht auch das einzige geblieben ist, so bin ich doch dabei gewesen und kann mich zur Kriegsmappe melden. Meine Erlebnisse sind kurz
1.folgende: Am 1. Mobielmachungstag habe ich die Heimat verlassen
2.u. [und] am 2. einen Marinetransport von Halle nach Kiel begleitet. Dieser höchst
3.interessanten Fahrt folgten 4 Wochen Garnisondienst in Torgau. (3.
4.Komp. Ersatz=Bat. Landw.=Inf.=Reg. 72) heute vor 3 Monaten verließ die
5.Kompagnie Torgau als 4. Reserve=Brigade, Ersatz=Bat. 14. […]
6.Begeisterte Fahrt über Köln, Uhrtal zur Grenze (Stavelot), dann ernste
7.Spuren von Kämpfen bis Brüssel, zeitweise Gefechtsbereitschaft.
8.16.9.-2.10. Machtdienst in Brüssel auf Bahnhöfen, Unruhe der Bevöl-
9.kerung. Dann Marsch in Richtung Gent. Mehrmaliges vergebliches
10.Antreten gegen den Feind. Am 9.10. Brigadegefecht gegen die Besatzung
11.von Gent (mehrfache Uebermacht) bei Quatrecht-Melle; der Feind wurde
12.verhindert, unsern Truppen vor Antwerpen in den Rücken zu fallen.
13.12.-17.10. Ruhe in Gent, seit dem Bahnbewachung von Gent bis halb
14.nach Brügge. Tadelloses Quartier im Schloß von Landegem. Wir sind
15.jetzt 8. Komp. Res.-Ersatz-Reg. Nr. 2 und unterstanden dem Generalgou-
16.vernement von Belgien, jetzt der Etappen-Inspektion der 4. Armee
17. zugehörig. Welche Schicksale die weitere Entwicklung der Dinge bringen
18. wird, kann man nicht einmal ahnen. Dem Wahlspruch der Landwehr bleiben
19. wir aber treu. Deutschen Gruß aus Feindesland von Ihren Dänicke"
Max Gustav Daenicke (*07.11.1863 - ✝27.03.1916), oder auch Dänicke, war Sohn des Stadtchronisten August Dänicke.
Verheirat war er mit Clara Dänicke (✝06.07.1917), seit 1910 Vorstandsmitglied des Vaterländischen Frauenvereins Bitterfeld. Dänicke wirkte im 1. Weltkrieg als Königlicher Hauptmann der Landwehr und Kompagnie-Führer. Nach einem Sturz vom Pferd am 25. März 1916, verstarb er zwei Tage darauf im Dessauer Reservelazarett. Der Amtsgerichtsrat wurde ausgezeichnet als Ritter des Eisernen Kreuzes II. Klasse und des Roten Adler-Ordens IV. Klasse und war Inhaber des Anhaltischen Friedrich-Kreuzes.
Landegem ist eine belgische Ortschaft zwischen Brügge und Gent, mit direktem Bahnanschluss zu den beiden Großstädten.
