Ganzkörperliche Schwarz-Weiß-Fotografie der Schauspielerin und Sängerin Felicita von Vestvali in der Rolle des Hamlet. Vestvali sitzt inmitten einer Theaterkulisse auf einem Stein. Sie trägt einen schwarzen Umhang, eine schwarze Jacke, darunter ein weißes Hemd, schwarze Hosen, schwarze Schuhe und eine dunkle Kopfbedeckung. Sie ist von der Seite fotografiert. Das eine Bein hat sie über das andere geschlagen, den Kopf leicht zur Seite gedreht, ihr Blick ist unbestimmt. In der Hand hält sie einen menschlichen Totenschädel. Die Kulissen um sie herum deuten auf eine Szene in der Natur hin. Im Hintergrund ist eine Landschaft mit Bäumen zu sehen, um sie herum liegen Zweige auf dem Boden.
Kontext:
Felicita von Vestvali wurde als Anna Marie Stegemann 1931 in Stettin geboren. Sie erlangte Berühmtheit durch ihre Darstellung männlicher Rollen wie etwa Hamlet oder Romeo. Der Sexualforscher und Sexualreformer Magnus Hirschfeld stuft sie in seinem Werk „Geschlechtsübergänge“ als „virile, androgyne“ Frau und als „Uranierin“, das damals gebräuchliche Wort für Lesbe, ein. Besonders im Bau des Kehlkopfes und dem Klang der Stimme, so Hirschfeld, machen sie Übergangsformen zwischen den Geschlechtern bemerkbar (vgl. dort Text vor Tafel XXIII).
Entsprechend tauchte das Bild im Kontext der sog. „Zwischenstufen“ auf. Sehr verkürzt gesagt, beschreibt dieses Konzept die Tatsache, dass jedes Individuum sowohl „männlich“ als auch „weiblich“ ausgeprägte Eigenschaften vereint, die einen oder mehrere der vier Bereiche betreffen können: 1. die Geschlechtsorgane, 2. sonstigen körperlichen Eigenschaften, 3. den Geschlechtstrieb und/oder 4. sonstigen seelischen Eigenschaften.
Mit diesem Konzept verlagerte Hirschfeld bereits 1907 das biologisch-genitale Geschlecht hin zu einem, das u. a. auch auf der erlebten Identität beruhte. Damit ebnete die „Zwischenstufentheorie”, die „während der Institutszeit die wissenschaftliche Leitidee für die meisten Mitarbeiter“ blieb, den Weg für das Verständnis von sexueller Vielfalt und Variabilität. (vgl. Herrn, R. (2022): Der Liebe und dem Leid, Suhrkamp, S. 31). Einher ging damit auch eine Entpathologisierung und Entkriminalisierung des vermeintlich Abweichenden, von Menschen also, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm standen.