Der Kleiderbügel aus Buchenholz besitzt einen einfachen Metallhaken und eine farblose Oberflächenlackierung. Auf der Längsseite befindet sich die dunkel geprägte Aufschrift „J. Löwenstein. Hagen“. Kleiderbügel aus jüdischen Geschäften finden sich in mehreren Museen und Gedenkstätten. Nach „Arisierung“ und Bombenkrieg sind sie häufig die einzigen überlieferten Sachzeugnisse dieser Unternehmen und ihrer Inhaber.
Das in der Elberfelder Straße gelegene Konfektions- und Modehaus wurde 1867 von dem aus Rietberg im Kreis Wiedenbrück stammenden Jakob Löwenstein (*1829, gest. 1898) gegründet. Aus zwei Ehen stammen drei Kinder. Die in Hagen geborenen Söhne Moritz (*1870) und Hermann (*1874) – er fiel 1917 in Galizien – führten das Geschäft nach dem Tod des Vaters weiter, die Tochter Jenny (*1868) heiratete. In der Körnerstraße 24 hatte Jakob Löwenstein eine neoklassizistische Villa als Wohnsitz erbaut.
Das Unternehmen zählte zu den „ersten“ Geschäften in Hagen. Der gute Ruf reichte weit über die Stadtgrenzen hinaus. Mit seinem als Prokurist tätigen Sohn Karl Julius (*1903, gest. 1999) besaß Moritz um 1930 in der Elberfelder Straße 1 und 3 bis 5 zwei große Geschäftshäuser. Neben Konfektionsware für Damen, Herren und Kinder sowie einem Maßatelier wurden auch Stoffe und Raumausstattung angeboten. Regelmäßig veranstaltete Löwenstein auch Modeschauen.
1933 standen die Familie und das Unternehmen am Abgrund. Bereits im April des Jahres kam es am „Boykott-Tag“ zu antisemitischen Kundgebungen. Ein geordneter Geschäftsbetrieb war nicht mehr möglich. 1936 wurde das Unternehmen „arisiert“. Das Modehaus Lampe KG „übernahm“ die Geschäfte. Die Villa in der Körnerstraße 24 „erwarb“ die Stadtsparkasse Hagen bei Fortzug der Familie. Sie verpachtete das Wohnhaus 1942 an die Gestapo. Die früheren Geschäftsgebäude und die Villa wurden bei den Luftangriffen 1943 bis 1945 zerstört.
Nach dem Verlust ihres Unternehmens verzogen Moritz und seine 1879 in Elberfeld geborene Ehefrau Margarete Weyl im Juli 1936 nach Düsseldorf. In der Pogromnacht 1938 wurden sie misshandelt und ihre letzte Habe zerstört. Das Ehepaar flüchtete in die Niederlande. Moritz starb im November 1939 in Oegstgeest bei Leiden, die Spur seiner Ehefrau verliert sich. Der Sohn Karl Julius war 1936 in die USA emigriert und im New Yorker Stadtbezirk Queens wohnhaft. Dort hatte er seine aus Österreich stammende Ehefrau Claire (*1907, gest.1979) geheiratet – ihren Lebensabend verbrachten sie in Florida.
Die 1904 geborene Tochter Gertrud flüchtete 1937 mit ihrem Ehemann, dem Juristen Dr. Kurt Vogel, aus Mönchengladbach ins niederländische Eindhoven. Beide waren zum katholischen Glauben übergetreten. Im August 1942 wurden sie durch die Gestapo verhaftet. Gertrud gelangte über das „Durchgangslager“ in Westerbork nach Auschwitz, im September 1942 wurde sie ermordet. Der Ehemann hatte nach ihrer Verhaftung den katholischen Bischof Wilhelm Mutsaerts in s-Hertogenbosch vergeblich um Hilfe gebeten. Im April 1943 wurde Kurt Vogel von Westerbork ins Vernichtungslager Sobibór deportiert und bei seiner Ankunft ermordet.
Ralf Blank
Quellen: StadtA Hagen, Sammlung Hagen, Nr. 90, 886, BOA3, Nr. 13087, 13088.