Das Blatt ähnelt zwei aufgeschlagenen Buchseiten. Das Kolorit ist in Grautönen und in pastellenen Orange und Grün gehalten. Im Hintergrund ist ein Landschaftshorizont markiert. Die linke Bildhälfte wird dominiert vom Profil einer menschlichen Büste. Rechts ist, weitaus kleiner, ein Wildtier, wohl ein Hirsch, mit einer schmalen nackten Frau dargestellt. Ganz unten erscheinen schemenhaft im Hintergrund menschliche Gestalten mit Stäben oder Standarten. Beide Bildhälften zitieren Goethes Verse: Links die "Entoptischen Farben", rechts "Wandersegen".
Monog. u. dat. u.l.: RS (im Kreis) 05
u.l.: 134; u.r. 142
Texte:
Mitte o.: Johann Wolfgang Goethe
l. Seite: Entoptische Farben
An Julienne
Laß dir von den Spiegeleien
Unsrer Physiker erzählen,
die am Phänomen sich freuen,
mehr sich mit Gedanken quälen.
Spiegel hüben, Spiegel drüben,
Doppelstellung, auserlesen;
Und dazwischen ruht im Trüben
Als Crystall das Erdenwesen.
Dieses zeigt, wenn jene blicken,
Allerschönste Farbenspiele
Dämmerlicht das beide schicken
Offenbart sich dem Gefühle.
Schwarz wie Kreuze wirst du sehen,
Pfauenaugen kann man finden;
Tag mit Abendlicht vergehen
Bis zusammen beide schwinden.
Und der Name wird ein Zeichen,
Tief ist der Crystall durchdrungen:
Aug in Auge sieht dergleichen
Wundersame Spiegelungen.
Laß den Macrocosmos gelten,
Seine spenstischen Gestalten!
Da die lieben kleinen Welten
Wirklich Herrlichstes enthalten.
r. Seite: Wandersegen
Die Wanderjahre sind nun angetreten
Und jeder Schritt des Wanderers ist bedenklich.
Zwar pflegt er nicht zu singen und zu beten;
Doch wendet er, sobald der Pfad verfänglich,
den ernsten Blick, wo Nebel ihn umtrüben,
Ins eigne Herz und in das Herz der Lieben!
Schenkung der Künstlerin 2020 an die Winckelmann-Gesellschaft.