Im 17./18. Jahrhundert war der Glaube an die Volksmedizin weit verbreitet. Obwohl es Apotheker und entsprechende medizinische Kenntnisse gab, war die richtige Medizin nicht für jeden zu haben: Apotheken gab es nur in den Städten, 85% der Bevölkerung lebten aber auf dem Lande, wo auf einen Arzt zwischen 50.000 und 100.000 Menschen kamen.
Ein vom Apotheker hergestelltes Universalheilmittel war der Theriak aus über 60 Zutaten wie z.B. Goldstaub, Opium, Schlangenfleisch, Mineralien und Honig. Zur Volksmedizin gehörten dagegen die Selbsthilfe mit Hausmitteln, medizinischen Kalendern und die Dienste von Kräuterweibern und Heilkundigen. Heilkräuter für Tee (z.B. Fenchel) wurden im Garten angepflanzt oder wilde Heilpflanzen gesammelt. Zu den Hausmitteln gehörten auch Fette, Pflaster, Salben und Amulette, Heiligenbilder und Zaubermittel wie die angeblich menschenförmige Mandragora, die als Alraune bekannter ist. Die Pflanze ist ein im Mittelmeerraum verbreitetes Nachtschattengewächs, das narkotische und halluzinogene Stoffe enthält. Diese das Bewusstsein beeinflussende Wirkung mag der Gewächswurzel im deutschen Raum den Namen Alraune gegeben haben: Das althochdeutsche "alrauna" bedeutet "Geheimnis". Der Alraune wurde eine besondere Wirkung nachgesagt: Zauberabwehr, Glücksbringer, Liebeszauber und Geldsegen.
Die ausgestellte "Alraune" ist möglicherweise eine Allermannsharnischwurzel, die die Mandragora aus dem Mittelmeerraum ersetzen sollte. Sie wurde beim Abriss des Hauses der Industriellenfamilie Jucho in Dortmund gefunden und war dort wohl als Glücks- und Geldbringer vergraben gewesen. Auf dem Holzkasten, in dem die Wurzel lag, findet sich die Aufschrift: "Dit is enn Allroe (neken) van (m) dif" (Dies ist eine Alraune von einem Dieb) und das Bild eines Gehenkten. Dem Glauben nach entstand die Alraune aus dem zu Boden tropfenden Samen von Gehenkten, deshalb auch ihr alter Name "Galgenmännchen".
B.H.