Um 1920 finden sich mehrere Arbeiten mit biblischen Allegorien im Werk von Wilhelm Rudolph: „Der verlorene Sohn“ (um 1919), „Johannes mit Schafen“ (1921; beide Kunstsammlungen Chemnitz) und die beiden als Bildpaar zu verstehenden, 1920 datierten Gemälde „Pflüger“ und „Hirte mit gelbem Stier“ (Nationalgalerie, Dauerleihgabe aus Privatbesitz). Sie zeugen in ihrer archaischen Bildsprache vom Vorbild des Expressionismus. Die Ansicht des monumental dargestellten Pflügers zeigt in betont primitivistischem Stil eine Konzentration auf Linie und Fläche, bei fast ausschließlichem Gegenüber von hellem Gelb und dunklem Braun. Zu sehen ist ein einzelner, gebeugter Bauer, zu symbolhafter Intensität verdichtet, den Fluch nach der Vertreibung aus dem Paradies verbildlichend: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3, 19). Da das Gegenstück zu diesem Ackerbauern einen Viehzüchter wiedergibt, könnten hier Kain und Abel, die Söhne Adams und Evas, gemeint sein. Die schrundig dargestellte Erde auf beiden Bildern, die fast ohne einen Hauch von Grün bis an den hohen, kaum wahrnehmbaren Horizont reicht, unterstreicht die Mühe, der Erde Nahrung abzugewinnen. Rudolph war mit diesen Werken sehr erfolgreich. 1922 beschrieb Paul Ferdinand Schmidt, Leiter des Dresdner Stadtmuseums, den jungen Künstler als einen symbolistischen Maler: „[S]o geraten seine Tiere oft ins Dämonische, seine Menschen ins Überweltliche, seine Räumlichkeiten ins Metaphysische“ (Paul F. Schmidt, Dresdner Ausstellungen, in: Der Cicerone, 14. Jg. [1922], H. 15, S. 667). | Angelika Wesenberg
