Original: Deutsch
NR. 197 - DIE R II EINPFALZ
Bad Dürkheimer Zeitung
Donnerstag. 27. August 1987
Zu Gast im Dürkheimer Heimatmuseum
Kürass, Helme und Gewehre
Im Treppenhaus des Heimatmuseums,
das zur Weinbauabteilung im Keller
führt, hängen einige militärische Uten-
silien aus dem deutsch-französischen
Krieg 1870/71, die von Dürkheimer Bür-
gern, die Kriegsteilnehmer waren, ge-
stiftet wurden. Es sind dies drei Ge-
wehre und ein Kürass mit Helm. Er-
stere sind deshalb interessant, weil es
sich um die damals modernsten europä-
ischen Militärgewehre handelt, das
französische Chassepot-Gewehr, das
preußische Zündnadel- und das bayeri-
sche Werder-Gewehr.
Um die Mitte des vergangenen Jahr-
hunderts erfolgte
die Umrüstung der
europäischen Ar-
meen von Vorderla-
der- auf Hinterla-
dergewehre, wobei
die Preußen mit ih-
rem Zündnadel-Ge-
wehr zunächst im
Vorteil waren, da
es, als erstes einge-
führt, hinsichtlich
der Feuergeschwin-
digkeit die anderen
übertraf. Die preu-
ßischen Siege von
1864, gemeinsam
mit Österreich,
über Dänemark
und von 1866 über
Österreich und die
süddeutschen Län-
der, waren vorwie-
gend auf die Über-
legenheit des Zünd-
nadelgewehrs zu-
rückzuführen. Mitte
der 60er Jahre des
vergangenen Jahr-
hunderts wurde in Frankreich du soge-
nannte Chassepot-Gewehr entwickelt
und in der französischen Armee einge-
führt Es war dem preußischen Zündna-
del-Gewehr nicht nur ebenbürtig, son-
dern sogar überlegen.
Die Bayern zogen 1870 mit dem veral-
teten PodewiLs-Gewehr in den Krieg,
weil sie es „trotz Bündnisses mit den
Preußen“, abgelehnt hatten, das Zünd-
nadel-Gewehr einzuführen. Sie entwik-
kelten 1868 ein eigenes, modernes In-
fanterie-Gewehr, du Werder-Gewehr,
das ersterem überlegen war, jedoch bis
1870 nur bei den bayerischen Jäger-Ba-
taillonen eingeführt wurde.
Der im Museum ausgestellte Kürass
(Brustpanzer) mit Helm stammt von ei-
nem ehemaligen Dürkheimer Kürassier
(schwerer Reiter). Auf dem Kürass ist
eine Einschußstelle zu sehen, die nicht
aus einem Gefecht, sondern von einem
Probeschuß stammt, der vor Ausliefe-
ung an die Soldaten auf den Brustpan-
zer abgeschossen wurde, um dessen Fe-
stigkeit nachzuweisen. Vermutlich hatte
dies mehr einen psychologischen als ei-
nen tatsächlichen Wert. Obwohl schon
1870 die Zeit der gepanzerten schweren
Reiterei infolge der Einführung der
schnellfeuernden Hinterladergewehre
vorbei war und im
Feldzug 1870/71 alle
Kürassiereinsatze
sowohl auf deut-
scher als auch auf
französischer Seite
mit ungeheueren
Verlusten und ohne
nachhaltigen Erfolg
verbunden waren,
konnte man sich bis
zum ersten Welt-
krieg von dieser
Waffe nicht tren-
nen, vermutlich
deshalb, weil sie so
martialisch aussah
und militärische
Kraft und Stärke
vortäuschte.
Etwa 200 Dürk-
heimer Burger nah-
men am deutsch-
französischen Krieg
1870/71 teil. Sie
sind alle am Krie-
gerdenkmal auf
dem Bahnhofplatz,
alphabetisch geord-
net. Verzeichnet. So weit feststellbar,
sind damals drei Dürkheimer gefallen,
ein Infanterist, ein Artillerist und
ein Kavallerist. Einer der Kriegsteilneh-
mer, der Apotheker Hugo Bischoff, ein
großer Förderer des Altertumsvereins
und der Pollichia, war Leutnant und der
erste Reserve-Offizier unserer Stadt. Er
stiftete seinen Helm dem Heimatmu-
seum, ein prächtiges Exemplar mit der
charakteristischen bayerischen Roß-
haar-Raupe, reich verziert mit silber-
nen Emblemen, einer Königskrone, den
Initialen von König Ludwig II., Löwen-
köpfen, Kokarden und dergleichen
mehr.
BERNHARD ORTH
Kriegerisches Im Heimatmuseum: Links ein Chassepot-Gewehr. rechts Zündnacht und
Werdergewehr und in der Bildmitte Helm und Brustpanzer eines bayerischen Kürrasiers
F©tos: moni
Bayerischer Offiziers-Raupenheim des Dr.
Hugo Bischoff