Auf polygonaler Plinthe mit Kehlprofil steht Agatha in eleganter Haltung, mit einem sich deutlich unter dem Gewandstoff abzeichnenden rechten Spielbein und ausladender linker Hüfte. Über dieser hält die sizilianische Heilige mit ihrer unter dem Stoff verborgenen Linken das Hauptattribut, ihre auf einem geschlossenen Buch liegenden abgeschnittenen Brüste als Zeichen ihres Martyriums, während sich in der erneuerten rechten Hand ein nur im Ansatz erhaltener Lilienstängel befindet. Ursprünglich dürfte die rechte einen Palmzweig und keine Zange, ein alternatives Attribut Agathas, gehalten haben. Es passt zur leicht artifiziellen Pose der Heiligen, dass sie das Buch relativ weit von ihrem Körper weg hält und sich mit Oberkörper und Haupt deutlich in die andere Richtung orientiert. Diese Kopfwendung wird durch eine große, sich nach oben hin stark verbreiternde, originale Krone mit prächtigen Zacken betont.
Das Fehlen eines rückseitigen Verschlusses der Aushöhlung und das Vernachlässigen der Vollprofilansichtseiten sind Indizien für die ursprüngliche Aufstellung der Agatha in einem Altarschrein, und zwar rechts neben einer zentralen Figur, der sie sich leicht zuwandte.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen und im Alpenraum 1380 bis 1440. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2019)