Die unbezeichnete Mädchenfigur aus hellem, gebrannten Ton entspricht weitgehend dem Modell "La cage vide ou la douleur de Babet", das ab 1752 in der Manufaktur Vincennes nach einem Entwurf von Pierre Blondeau produziert wurde. Blondeau schuf für Vincennes acht Modelle nach nicht mehr erhaltenen grafischen Vorlagen von François Boucher, die sich als "Premiers Enfants de Boucher" großer Beliebtheit erfreuten. Bouchers Zeichnungen wiederum basierten auf dem um 1750 in Paris sehr beliebten Schäferspiel "La Vallée de Montmorency ou Les Amours villageois" von Charles Siméon Favart. Das Gegenstück zu "Babet" ist "Corydon", ein Knabe, der dem Mädchen zwei Tauben anbietet. Das Mädchen hält einen leeren Vogelkäfig in der Schürze (im hier gezeigten Modell fehlt er) - im Rokoko ein geläufiges Symbol für die verlorene Unschuld.
Von den Kinderfiguren nach Boucher entstand 1752 in Vincennes eine erste Serie aus glasiertem und bemalten Porzellan. 1753 folgte eine Version aus Biskuitporzellan. Beide Versionen wurden 1756 in Sèvres übernommen. Die Tonfigur der "Babet" kommt der Biskuitfassung am nächsten, deren Ausführungen teils mit, teils ohne Vogelkäfig überliefert sind. Möglicherweise handelt es sich bei dem Tonmodell um eine Abformung nach dem Originalmodell, die der weiteren Verbreitung diente.
Die "enfants de Boucher", insbesondere "Babet" und "Corydon", gehören zu den beliebtesten Kinderfiguren des 18. Jahrhunderts. Davon zeugen diverse Nachschöpfungen in verschiedenen europäischen Manufakturen - nicht nur in Porzellan und Fayence, sondern auch als Gobelinwirkerei. In der Berliner Porzellanmanufaktur Wegely entstanden bereits 1754 Varianten von "Babet" und "Corydon", die eng an den französischen Vorbildern orientiert sind und sich ebenfalls in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums befinden (Inv. Nr. Lg 698 und 1938,2).
ClKa