Das Sujet des Spaziergängers oder Wanderers begleitete Barlach über viele Jahre. Einerseits ging er selbst täglich über Land, andererseits war ihm das Wandermotiv auch ein Symbol für den Lebensgang an sich. In seiner Skulptur schreitet der füllige Spaziergänger in kräftiger Bewegung mit auf dem Rücken verschränkten Händen gegen den Wind aus. Barlach hat in seinen Taschenbüchern und Skizzenheften ab 1909 unzählige Studien zu Gehenden und Stehenden festgehalten. Die Anlage der Figur folgt einer Kohlezeichnung von 1911 (WVZ Wittboldt/Laur 2013, Teil 1, 1060), in den Taschenheften von 1912 gibt es Einzelstudien zu Gesicht und Händen (WVZ Wittboldt/Laur 2013, Teil 2, Heft 1163, 6, 21, 22). Noch in seinen Aufzeichnungen von 1916 sinnierte der selbstkritische Künstler über diese Skulptur: „Nur zum Beispiel in dem ‚Schlafenden Paar‘ und dem ‚Spaziergeher‘ liegt so etwas von schlichter Ledigkeit, ledig von allzu stündlicher Zeitigkeit, Weltgefühl, Hängen im großen, bloßen Dasein ohne Zeiteinteilung sind drin. Ich ging bei verwölktem Vollmond auf den Parumer Wiesen und stocherte nach Pilzen“ (Ernst Barlach, Güstrower Tagebuch, Heft 4, 9.11.1916, zit. nach Ernst Barlach. Werke und Werkentwürfe aus fünf Jahrzehnten, Band 1: Vorworte, Einleitung. Plastik 1894–1937, Ausst.-Kat., Berlin, 1981, S. 54). Nach dem ersten Entwurf in Ton schuf Barlach noch 1912 eine Fassung in Eichenholz (WVZ Laur 2006, 190). Die ersten Bronzegüsse entstanden 1938 in der Berliner Gießerei Noack. In diesem Zusammenhang könnten auch die verschiedenen Stukkogüsse wie der vorliegende gefertigt worden sein. | Angelika Wesenberg