Würzburg 27. Dezember 1895
Meine liebe Ernestine!
Nun war es kein Vergeßen, daß
ich Dir zu Deinem Geburtstage, keine
Zeile geschrieben; den̄ meine Gedanken
waren mit den besten Wünschen
bei Dir, aber ich kam nicht dazu
dieselben niederzuschreiben. Die
Feiertag bringen ja im̄er viel
Unruhe; aber meist nur freudige.
Mir brachte sie aber leider noch
recht viel Verdrießliches und
regte mich die Sache so auf, daß ich
nicht zum vollen Genuß des Festes
kam. Es ist meine Köchin Lene, die
dies besorgt hat. Diese sonst so
brauchbare Person, ist nebenbei
der reinste Drache u. führte sich
so auf, daß mein Man̄ sie rasch
spedierte. Nun will ich mein Brief-
chen aber nicht ausfüllen mit
diesen unerquicklichen Geschichten,
ich wollte ja nur den Grund
angeben, warum ich nicht früher
schrieb.
So nehme den̄ nachträglich un-
sere besten Wünsche, Gott er-
halte Dich gesund und laße Dich noch
recht viel Freude an Deinen Kin-
dern erleben.
Darf ich Dir auftragen, Lotte
unseren Dank zu sagen, daß sie
uns so niedlich beschenkte. Es
wäre uns lieb, wen̄ Sie geleg-
entlich uns Unwißende aufklären
wollte, wer die Antike ist.
Nach Neujahr werde ich auch wie-
der an Lotte schreiben; aber jetzt
muß ich sehr haushälterisch mit
meiner Zeit umgehen.
Willy freut sich sehr über die em-
pfangene Rektorrede, er er-
zählte mir Dein Man̄ kön̄e schön
schreiben! Als ob ich daran gezweifelt
hätte. Später werde ich den Versuch
machen um es zu verstehen, hoffent-
lich bin ich nicht zu dum̄.
Das Christkindlein hat uns wiederum
sehr schön bescherkt, ich werde alles
erzählen in Lotte's Brief, für
heute reicht die Zeit nicht, ich muß
kochen.
So lebe wohl und empfange Du
und Alle Deine Lieben, unsere
wärmsten Glückwünsche in's
kom̄ende Jahr von uns Beiden,
nebst den treusten Grüßen
Deine
Dich liebende
B. Röntgen
Auch Bertha sendet viele Grüße und Glückwünsche.