Die sichtlich vom Theater inspirierte Darstellung erfasst eine Kernszene von Goethes Schauspiel »Torquato Tasso« (1790): die Krönung des Dichters Tasso mit dem apollinischen Lorbeer (I/3). Ort der Handlung ist ein »Gartenplatz, mit Hermen der epischen Dichter geziert« (I/1; WA I, 10, S. 105), den links eine Architekturkulisse mit Nischen für die Hermen abschließt. Rechts öffnet sich der Ausblick auf einen südlichen Landschaftspark und einen Brunnen mit Fontäne und Schwänen. Leonore Sanvitale, dunkelhaarig und im roten Kleid, hat die in der linken Nische stehende Herme von Ariost, dem Verfasser des Versepos »Orlando furioso« (1516/32), mit einem Blumenkranz geschmückt, während die blonde, weißgekleidete Prinzessin Leonore von Este einen Lorbeerkranz für die im Bild nicht sichtbare Büste des Dichters Vergil geflochten hat. Die Gruppe überragt Alphons, der Herzog von Ferrarra, in einem dunklen Renaissancekostüm mit Hermelinbesatz und einem Barrett mit federgeschmückter Agraffe, auf der Brust eine Ordenskette mit dem Goldenen Vlies, die linke Hand am Griff des Degens. In der Rechten hält er eine Pergamentrolle: das neue Werk, das Tasso ihm soeben überreicht hat. Um den Dichter zu ehren, fordert Alphons seine Schwester Leonore auf, mit dem Vergil zugedachten Lorbeerkranz nun Torquato Tasso nach antikem Brauch zu krönen. Tasso, ein jugendlicher Held in leuchtendem Gelb, beugt das Knie vor Leonore: »Die schöne Last aus deinen theuern Händen / Empfang’ ich knieend auf mein schwaches Haupt. (Tasso kniet nieder, die Prinzessin setzt ihm den Kranz auf.)« (I, 3; WA I, 10, S. 124). Glatte, lasierende Malweise. (Quelle: Maisak/Kölsch: Gemäldekatalog (2011), S. 298)
Illustrierte Textstelle: Torquato Tasso, Erster Aufzug, Dritter Auftritt