Das pultförmige Nähkästchen mit Nadelkissenauflage zeigt vorn die Jahreszahl 1752, seitlich je eine Blume und auf der Rückseite eine Bandschleife. Mit diesen schmucken Intarsien und seinem Obst- und Nussbaumfurnier ist es ein Objekt des Lebensstils, gleichwohl ein höchstnotwendiges, denn selbstverständlich wurde zu allen Zeiten stetig genäht, geflickt, gestopft und erst in der Zeit des Hyperkonsums stattdessen neu gekauft.
Woher dieses Kästchen kommt und seit wann es sich im Gleimhaus befindet, ist völlig unbekannt. Gemäß mündlicher Überlieferung innerhalb des Hauses stammt es aus dem Besitz der Sophie Dorothea Gleim, einer Nichte des Dichters. 1752 war das Jahr von Sophie Dorotheas zwanzigstem Geburtstag. Ein markanteres, einen Lebensabschnitt markierendes Datum in ihrem Lebenslauf, war allerdings das Jahr 1753, in dem sie in das Haus ihres Onkels kam, um diesem, der nach einer fatal gescheiterten Verlobung sich zur Ehelosigkeit entschlossen hatte, den Haushalt zu führen. Indessen: Solche Legenden, dass ein historischer Gegenstand einer namhaften historischen Persönlichkeit gehört habe, sind leicht erfunden.
Schon wenige Jahrzehnte später wurden Nähkästchen vorindustriell gefertigt, etwa in den in Mode kommenden Lackkunstmanufakturen. Meist waren sie kleiner als das vorliegende. Verbreitet waren auch Nähkästchen mit Griff oder auch mit Rollen, die mobil waren, also weggestellt werden konnten. Geläufig ist allerdings auch die einem Schreibpult nachempfundene Form. Ein solches Nähkästchen dürfte einen festen Platz eingenommen und somit der Arbeit der Hausfrau ihren Platz in der Stube gegeben haben.
War das Kästchen mit einem Schloss versehen, so konnten darin Geheimnisse verborgen werden und auch verborgen bleiben, solange nicht ‚aus dem Nähkästchen‘ geplaudert wurde. Doch auch ohne Schloss dürften die Geheimnisse zumindest vor dem Herrn des Hauses verborgen geblieben sein, hat dieser doch kaum selbst einmal zu Nadel und Faden gegriffen.
Bemerkenswert gut erhalten ist die Grünfärbung der Hölzer, die für die Blumen und für Zwickel auf der Rückseite Verwendung fanden, und die durch einen Pilz bewirkt wurden.
Im 19. Jahrhundert wurden die Beschläge sowie das Marmorpapier, mit dem das Kästchen innen ausgekleidet ist, erneuert.