Ein großes Blatt von ausgezeichneter Qualität, das ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte des Zeichnungssammelns dokumentiert: die Übergabe der sechzehn Bände mit über 2000 Werken großer italienischer Künstler durch Padre Sebastiano Resta an den Bischof von Arezzo, Giovanni Matteo Marchetti, im Jahre 1698 [...]. Der kirchliche Würdenträger sitzt an einem Tisch, der in der Mitte einer Loggia des Quattrocento steht. Diese Stätte wird sowohl dem juristischen Charakter der Eigentumsübertragung gerecht als auch - unterstützt durch die Inschrift und die angedeuteten Porträtmedaillons berühmter Künstler - dem Gedanken an eine Akademie der Künste. Der Bischof wendet sich einem höfisch gekleideten Mann zu, möglicherweise dem Cavaliere Marchetti von Pistoia, seinem Neffen und späteren Erben der Kollektion. Ihm gegenüber, etwas verdeckt durch einen jüngeren Geistlichen, der bei der Vorstellung der Schätze behilflich ist, steht der Sammler Sebastiano Resta, im Ornat der Oratorier mit einer Biretta auf dem Haupt. Der Durchblick auf einen mit klassischen Bauten umgebenen Innenhof unterstreicht die Würde des Vorgangs, die Skulptur der Minerva rechts macht deutlich, daß über den Beteiligten der Geist der Gelehrsamkeit und Kennerschaft ruht. Typisch für die Zeichenkunst Passeris, dem wohl eigenständigsten Schüler von Carlo Maratti, sind die ausgeklügelten malerischen und koloristischen Effekte bei gleichzeitig sehr offen skizzierender Federtechnik. Die Zeichnung fungierte als erste Vorlage für den Auftraggeber, steht sie doch in unmittelbarem Zusammenhang mit einem anderen, etwa gleich großen Blatt, das - wie ein Vertragssiegel - als Schlußstück in den 16. Band der Sammlung Resta eingeklebt war [...]. Auf dieser »1698 Joseph Passarus Rom, 25 Aplis [ = April]« signierten und datierten, finalen Komposition trägt Resta nun eine Brille, die Architektur und Porträtmedaillons sind unter Wegfall der Inschrift vollständig ausgeführt, aber nur eine Veränderung ist wesentlich: Der bärtige Mann, der einen der Bände auf dem Tisch aufgeschlagen hält, erscheint dort nicht mehr. Vielleicht auf Wunsch von Resta hat Passeri diese zentral positionierte Figur getilgt, eine Korrektur, die das Berliner Blatt durch die Bleiweißretouche anzeigt und die zwangsläufig zur Wiederholung der gesamten Arbeit führen mußte.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 288, Kat. V.51 (mit weiterer Literatur)