»Die Gegend ist höchst romantisch, die Figuren darinnen machen den Kreuzweg der 14 Stationen«, schrieb Joseph Anton Koch 1813 über sein Gemälde »Kloster San Francesco di Civitella«, welches im Auftrag seines Münchner Mäzens Franz Wilhelm von Asbeck und als Pendant zu dem Ende 1812 vollendeten »Winzerfest bei Olevano« (Neue Pinakothek, München) entstand (J. A. Koch an R. v. Langer am 3.1.1813, zit. nach: O. R. von Lutterotti, Joseph Anton Koch 1768–1839, Berlin 1940, S. 159). Das Kloster San Francesco in Civitella erinnert an einen Aufenthalt des heiligen Franziskus auf seiner Reise im Jahre 1224 von Assisi zum nahen Kloster San Benedetto bei Subiaco. Die Gegend war Koch vertraut, in den Sabiner Bergen östlich von Rom hielt er sich in den heißen Sommermonaten häufig auf. Nach einer bereits 1805/06 gefertigten Skizze begann er im Januar 1813 seine Arbeit an dieser Komposition. Eine zeitlose, fast archaische Landschaft, von Menschen bewohnt und bebaut, entfaltet sich in parallel hintereinander gestaffelten Raumschichten. Im Vordergrund sind farbig gekleidete Landleute zu sehen, die vor einer Kreuzwegstation, dem Beispiel eines greisen Kapuziners folgend, kniend beten. Auch Kinder halten Andacht, eines von ihnen ähnelt dem Christuskind. Die Figur des Hirten mit Fellgewand läßt an Johannes den Täufer denken. Die romantisch-religiöse Staffage geht auf den Einfluß von Kochs Wiener Freundeskreis um Friedrich Schlegel zurück. Koch hat die Landschaft auch sonst vielfach belebt. Auf einem Bach schwimmen Schwäne, am Waldessaum halten sich Menschen am Feuer auf, ein Hirte und ein Reiter sind zu erkennen. Aus dem Kloster heraus bewegt sich eine Prozession. Hinter dem halbverschatteten Tal erscheinen die Bergzüge der Monti Ruffi – auch Mammellen genannt – in lichten Grün- und Violettönen und bilden mit hellen Wolken auf strahlendem Himmelsblau heitere Akkorde. Für das im Februar 1814 vollendete Bild verlangte Koch 65 Dukaten. Er wiederholte die Darstellung mehrmals (1812, Eremitage, Sankt Petersburg; 1814, Kunstsammlungen Chemnitz; 1830, Aargauer Kunsthaus Aarau). | Birgit Verwiebe