Die Münzprägung während der Römischen Republik lag in den Händen eines jährlich neu zu bestimmenden Dreierkollegiums, dessen Mitglieder es sich nicht nehmen ließen, ihre Namen und im 1. Jahrhundert v. Chr. auch zunehmend ihre Familiengeschichten auf den von ihnen ausgegebenen Münzen zu verewigen. Einer der Münzmeister des Jahres 55 v. Chr., Q. Cassius Longinus, verweist mit diesem für den heutigen Betrachter etwas rätselhaft bebilderten Denar auf die Errungenschaften seines Vorfahren L. Cassius Longinus Ravilla. Auf der Rückseite sieht man eine wahrscheinlich nicht auf Wirklichkeitstreue abzielende Darstellung des runden Vesta-Tempels, zwischen dessen Säulen der Amtsstuhl eines römischen Magistraten steht: Hier wird auf einen berühmten Vestalinnen-Prozess im Jahr 113 v. Chr. angespielt, bei dem der Ahnherr des Münzmeisters als Richter fungierte. Die links vom Gebäude abgebildete Wahlurne sowie das Täfelchen rechts davon mit den Buchstaben A(bsolvo) C(ondemno) verweisen auf ein von L. Cassius Longinus Ravilla 137 v. Chr. als Volkstribun eingebrachtes Gesetz, das die geheime Stimmabgabe bei Volksversammlungen garantierte. Die auf diese Weise geschützte Rechtssicherheit und Unabhängigkeit des römischen Bürgers erklärt die Darstellung der Libertas, der Personifikation der Freiheit, auf der Münzvorderseite.
[Sonja Kitzberger]