Diese sorgfältig inszenierte und gleichzeitig drastische Darstellung des Angriffs des römischen Königssohnes Sextus Tarquinius auf die verheiratete und tugendhafte Lukretia erwarb der preußische König Friedrich II. ohne zu wissen, dass es sich um ein Werk der römischen Malerin Artemisia Gentileschi handelt. Er fügte dieses Gemälde zusammen mit der „Bathseba im Bade“ derselben Malerin in die Hängung der Oberen Galerie des Neuen Palais.
Das Gemälde ist zuvor in Parma dokumentiert, wo es zusammen mit der „Bathseba im Bade“ und einer „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ 1671 im Palazzo del Giardino der Familie Farnese als Werk Artemisia Gentileschis beschrieben wird.
Artemisia stellt hier den Moment dar, in dem Tarquinius ihr droht, sie und ihren Sklaven zu ermorden, und einen Ehebruch vorzutäuschen, wenn sie sich ihm nicht hingibt. Um ihre Ehre zu retten, fügt sie sich Tarquinius und tötet sich dann im Beisein ihres Vaters und ihres Mannes. Vorher lässt sie diese noch schwören sie zu rächen. Daraus folgt ein Aufstand des Volkes gegen die Tyrannei der Tarquinier und die Einführung der römischen Republik. Durch ihre Komposition, die im Zentrum des Bildes die nackte, halb auf ihrem Bett liegende Lukretia, zwischen zwei Männern zeigt - dem dunkelhäutigen Sklaven auf der einen und dem erregt mit dem Dolch auf sie einstürmenden Tarquinius auf der anderen Seite -, betont Artemisia eher Lukretias Rolle als Opfer von Gewalt, als die einer Tugendheldin, als die sie in der Literatur galt.
Das Gemälde befindet sich in der Oberen Galerie des Neuen Palais, die aus bautechnischen Gründen nicht zugänglich ist.
Franziska Windt