Johann Friedrich August Tischbein, der sogenannte Leipziger Tischbein, war neben Anton Graff in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einer der bedeutendsten Porträtisten Mitteleuropas. Unter englischem Einfluß wandelte er das repräsentative Porträt des Rokoko zur individuellen Bildnisform. Tischbein »besaß einen eigenen Takt, jeder Physiognomie gleichsam den günstigsten Moment abzulauschen, und ich glaube nicht zu viel zu behaupten wenn ich annehme, daß er unter den neueren Künstlern der geschickteste Frauenmaler war«, schrieb die Tochter und Zeichnerin Caroline (C. Wilken, in: Königliches Friedrichs-Gymnasium zu Cassel. Jahresbericht über das Schuljahr 1895/96, Kassel 1896, S. 113–114). 1786, in der Zeit seiner Anstellung am Hof des Fürsten Friedrich von Waldeck in Arolsen, reiste Tischbein für mehrere Monate nach Den Haag. Dort erhielt er den Auftrag für das halbfigurige Bildnis der »Lautenspielerin«. Elegant wirken die diagonal ausgerichtete, zum Betrachter gewendete Figur der jungen Dame und die porzellanene Feinheit ihres Teints. Überzeugend ist die kostbar schimmernde Stofflichkeit von Seidenkleid und Federhut wiedergegeben, die Tischbein Vorbildern der holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts nachempfand. Zugleich deutet sich im vornehmen Charme der Lautenspielerin der Einfluß der modernen englischen Bildnismalerei an. | Birgit Verwiebe