Der Komponist und Dirigent Hermann Levi (1839–1900) prägte mit großem Weitblick das deutsche Musikleben der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er förderte Johannes Brahms, später Richard Strauß und Engelbert Humperdinck. Werke von Robert Schumann, Berlioz oder Verdi brachte er teils in deutscher Erstaufführung auf die Bühne, und seine stilbildenden Münchner Neuaufführungen der Opern Mozarts prägen die Rezeption des Wiener Komponisten bis heute.
Der ehemalige Schüler des Hofkapellmeisters Vinzenz Lachner in Mannheim und später des Leipziger Konservatoriums war, nach Stellen in Saarbrücken und an der Deutschen Oper in Rotterdam, 1864 zum ersten Kapellmeister des Badischen Hoftheaters in Karlsruhe ernannt worden. Nahebei, im Dorf Lichtenthal bei Baden-Baden, verkehrte er im Künstlerkreis um Clara Schumann und traf sich mit den Freunden Johannes Brahms und Julius Allgeyer, der ihn 1865 mit Anselm Feuerbach bekannt machte. Levi begann seitdem, Werke von Feuerbach zu sammeln, in den 1870er Jahren folgten Arbeiten von Böcklin, Marées und später Hans Thoma – eine Leidenschaft, die ihn mit dem Kunsttheoretiker Conrad Fiedler verband. Ein »Zufall hat es gefügt, daß Fiedler und ich – ohne daß wir uns kannten […] – auf Werke der bildenden Kunst genau denselben Geschmack setzten«, schrieb Levi am 22. November 1898 an Thoma (Bayerische Staatsbibliothek, Leviana I, 48, Conzepte 1898–1899, o. Pag.). Finanzielle Mittel waren allerdings stets knapp, so daß Levi immer wieder einzelne Arbeiten für Neuerwerbungen verkaufen mußte. Dies änderte sich auch nicht, als Levi 1872 an die Königliche Hofoper nach München berufen wurde, der er bis 1896, zuletzt als Generalmusikdirektor, vorstand. Als außerordentliches Mitglied der Künstlervereinigung Allotria lernte er in diesen Jahren Franz von Lenbach kennen; er wurde ein enger Freund, der ihn mehrfach porträtierte. Zugleich intensivierte sich der Kontakt mit Richard Wagner, für den Levi 1882 die Uraufführung des »Parsifal« in Bayreuth dirigierte. Als Conrad Fiedler 1895 tödlich verunglückte, heiratete Levi kurz darauf dessen Witwe Mary, die Tochter des Direktors der Berliner Gemäldegalerie, Julius Meyer. Für beide entwarf Adolf Hildebrand die Villa am Riedberg in Partenkirchen, in der Levi seit 1897 unter anderem die Edition der von ihm aus dem Italienischen neu übersetzten Opern Mozarts beendete. Hildebrand war es auch, der schließlich die Totenmaske des Freundes abnahm und in einem Brief notierte: »Sein Kopf sah herrlich aus, ein verklärtes Christusbild« (zit. nach: Hildebrand und seine Welt, München 1962, S. 475). Lenbach muß Jahre zuvor eine ganz ähnliche Assoziation gehabt haben, als er 1882 Levi auf Goldgrund porträtierte: nur das bärtige Gesicht, ganz frontal gegeben, wie aus der Bildtradition des Schweißtuchs der heiligen Veronika bekannt. Als Teil der Kunstsammlung Levis und zusammen mit Werken aus der Sammlung Conrad Fiedlers gelangte dieses Bild im Jahr 1902 zunächst als Vorlaß der Witwe Mary Fiedler-Levi (später verheiratete Balling) in den Bestand der Nationalgalerie. | Regina Freyberger