Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Rudolstadt liegen im Jahre 1784. Fürst Ludwig Günther II. von Schwarzburg-Rudolstadt (1708-1790) erteilte drei aus Dessau zugezogenen jüdischen Familien eine Handelskonzession. 1796 erhielt die Gemeinde durch Fürst Ludwig Friedrich II. von Schwarzburg-Rudolstadt (1767-1807) den Status einer vollberechtigten Religionsgemeinschaft, richtete einen Synagogen-Raum ein und legte einen Friedhof an. Diese Privilegierung war im Jahre 1796 offensichtlich der Anlass, zu Ehren des Fürsten eine Gebetstafel in der Synagoge anzubringen, von deren Gesamtausstattung sich bis heute ein für Thüringen beachtlicher Bestand von 31 Judaica in den Museumssammlungen erhalten hat. Der in Deutsch gehaltene Gebetstext für Ludwig Friedrich II. ist handschriftlich in Tusche ausgeführt, einige Partien in vergoldeter Schrift. Die Bögen des Büttenpapiers wurden auf eine Holztafel kaschiert. Zur Sammlung gehören weiterhin u.a. zwei Thorarollen, ein mehrteiliger hebräischer Machsor, Gebetbücher, Schriftblätter und weitere Gebetstafeln. Sie stammen aus dem Besitz der alten jüdischen Rudolstädter Familie Callmann, in deren Wohnhaus in der Ratsgasse sich vermutlich der Synagogen-Raum befand. Im Jahre 1911 übergaben die Erben dieser Familie die Gegenstände an das Städtische Altertumsmuseum Rudolstadt. Nach dessen Umverlegung im Jahre 1919 in Räume der Heidecksburg überstand die in Vergessenheit geratene Sammlung auch die Jahre der Naziherrschaft und ist der heute einzige Beleg für die durch tolerante Politik möglich gewordene Existenz einer jüdischen Gemeinde in Rudolstadt. [Jens Henkel]
links unten signiert "verfertigt v. Ludw. Hoercher jun.", rechts unten datiert "Im Mon. Mai 1796".