Mit unruhigen Strichen umreißt Klaus Roenspieß in seiner Radierung das Portal der Gedächtniskirche. Er fokussiert sich hierbei auf die drei Bögen über den Eingangsportalen, auf das klaffende Loch darüber, in dem sich früher eine Fensterrose befand, und auf den Blendgiebel, welcher sich fast über die gesamte Breite des Turms erstreckt. Im Durcheinander der tanzenden Linien tauchen zwei menschliche Körper vor dem Portal auf. Roenspieß' künstlerische Annäherung an die 1943 zerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche hat etwas Aufwühlendes. Seine 1994 entstandene Serie zu dem Sakralbau verfolgt kein topographisches Interesse. Vielmehr zerlegt der Künstler neue und alte Bausteine des Bauensembles in seine geometrischen Grundformen.
Klaus Roenspieß lebte und arbeitete von 1935 bis 2021 in Berlin, sein ganzes Leben. Er studierte etwa ein Jahr lang an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Als DDR-Bürger hatte er natürlich 28 Jahre lang keine Möglichkeit die Westseite seiner Heimatstadt zu besuchen. Die Begehung des neuen Bauensembles von Egon Eiermann dürfte somit noch immer eine ungewohnte Erfahrung gewesen sein. Obwohl nicht vollkommen vom DDR-Establishment abgewandt, ging Roenspieß stilistisch schon früh seinen eigenen Weg und entging damit der Instrumentalisierung des Staates.