Das Ulmer "Erbärmdebild" schildert den Vorgang der "Beweinung Christi", der im Neuen Testament nicht erwähnt wird. Somit handelt es sich bei diesem Thema, für das sich mehrere Bildtypen entwickelt haben, um keine schriftliche Überlieferung. Es kann lediglich als mittelalterliche Ergänzung zur Passionsgeschichte verstanden werden, hat daher keinen historischen, sondern rein repräsentativen Charakter. Jesus Christus ist als "lebender Schmerzensmann" dargestellt, dessen Unterkörper im Sarkophag steht. Maria und Johannes neben ihm stützen seine ausgebreiteten Arme. Im Hintergrund tragen mehrere Engel die Marterwerkzeuge und weisen damit auf den Leidensweg Christi hin. Das Bild illustriert folglich eine Szene, die zeitlich zwischen der Kreuzabnahme und der Grablegung Christi anzusetzen ist. Wegen seiner starken emotionalen Aussage hat sich das Thema vor allem in der italienischen Kunst großer Beliebtheit erfreut. Das Ulmer Erbärmdebild geht auf einen Bildtypus zurück, der sich bereits im 13. Jahrhundert in Italien entwickelt hatte, und zwar die symmetrische Dreifigurengruppe mit dem toten Christus in der Mitte, Maria und Johannes zu beiden Seiten. Im 15. Jahrhundert fand dieser Bildtypus mit der Dreifigurengruppe Eingang in die deutsche Kunst und verschmolz sogleich mit dem deutschen Bildtypus des ganzfigurigen, trotz seiner Wunden lebenden Schmerzensmann.