Anonym, Brüssel (?), um 1500–1510. In der Mitte des Bildteppichs kniet in einem schmalen, von Säulchen gerahmten Bildfeld über einer dreizeiligen Widmungsinschrift und unter einem Kielbogen Johannes Fuchsmagen als frommer Stifter (siehe Detailabbildung). Fuchsmagen (Hall in Tirol um 1455–1510 Melk) war promovierter Jurist und für die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. als Diplomat tätig. Als Regent der niederösterreichischen Lande und antikenbegeisterter Humanist lebte er in Wien.
Fuchsmagen betet zum Schutzpatron Österreichs, dem 1485 kanonisierten Babenberger Leopold III. (1073–1136), Markgraf von Österreich, der mit seinen Söhnen den linken Teil des Teppichs dominiert. Bis auf Otto und Konrad, die als Bischof und Erzbischof auftreten, hält jeder gleich dem Vater eine Lanze mit der Fahne Alt-Österreichs (Fünfadler-Wappen).
Im rechten Bildteil knien Leopolds Töchter und seiner Gemahlin Agnes, die wie ihr Mann als Klosterstifterin eine kleine Kirche in Händen hält. Unklar ist, wer mit den Kindern - zwei Knaben hinter Leopold und Mädchen neben Agnes - gemeint ist. Wer die Erwachsenen sind, erfahren wir aus den unterhalb der Wappen am unteren Rand des Bildteppichs angebrachten Inschriften: Markgraf Ernestus/Ernst der Jüngling, Markgraf Leopold IV. (auch Herzog von Bayern), Markgraf Heinrich II. Jasomirgott (auch Herzog von Bayern), Markgraf Albertus/Aldabert der Andächtige, Otto (Bischof von Freising) und Konrad (Erzbischof von Salzburg), Markgraf Leopold III. der Heilige, Judith (Markgräfin von Montferrat), Elisabeth (Landgräfin von Sachsen; eigentlich Gräfin von Winzenburg in Niedersachsen), Gertrud (Königin von Böhmen), Agnes (Herzogin von Polen), Berta (Burggräfin von Regensburg) und Agnes (Gemahlin Leopolds des Heiligen und Tochter Kaiser Heinrichs IV.). Agnes und Gertrud sind als einzige bekrönt. Die Darstellung der Familie des hl. Leopold mitsamt Namen und Wappen entspricht der habsburgischen Bestreben genealogisch an sie anzuknüpfen, um die dynastischen Ansprüche in Österreich dauerhaft zu legitimieren.
Oberhalb von Fuchsmagen sehen wir im Hintergrund ein Hochgrab. Den darauf abgelegten Votivgaben sowie dem betenden Paar zufolge handelt es sich um eine Pilgerstätte, was Leopolds Grab in Klosterneuburg tatsächlich schon lange vor der Heiligsprechung war. Hinter den Betenden erkennt man einen Altar mit der Halbfigur eines Schmerzensmannes. Hoch oben im rechten Bildteil kniet der heilige Kirchenvater Hieronymus in der Wildnis vor einem Kruzifix und schlägt als Büßer seine Brust mit einem Stein (hier als Apfel missinterpretiert); neben dem Heiligen liegt sein Attribut, der zahme Löwe (siehe Detailabbildung).
Das jugendliche Aussehen Fuchsmagens lässt vermuten, dass dem niederländischen Entwerfer eine Zeichnung nach einem älteren Bildnis vorlag. Ein solches könnte 1488 in Brügge entstanden sein, als Fuchsmagen im Auftrag Kaiser Friedrichs III. die Freilassung seines Sohnes Maximilan I. verhandelte. Dass der Bildteppich aber frühestens um 1500 und spätestens um 1510 in Brüssel entstand, lässt sich aus vergleichbaren Bildteppichen in Burgos, Detroit, New York, Pasadena, Valencia und Zamora ableiten. Auch der frühhumanistische Schrifttyp setzt eine ältere Vorlage voraus. Ab 1504 hätte Fuchsmagen eine ausgereiftere, antikisierende Kapitalis verwendet hätte (laut Andreas Zajic, briefl. Auskunft vom 20. Juli 2020).
Zunächst hing er bei Fuchsmagens Grabstätte in der alten Kirche des Klosters St. Dorothea in Wien, wo Fuchsmagen 1499 jährliche Messen zu Ehren des hl. Leopold und des hl. Hieronymus gestiftet hatte. Spätestens 1622 hing der Bildteppich oberhalb des Chorgestühls. Nach der Aufhebung des Chorherrenstiftes St. Dorothea 1786 erwarb ihn das Stift Heiligenkreuz, wo er bis 1949 in der Stiftskirche hing, bevor er ins Stiftsmuseum übertragen wurde. Heiligenkreuz ist nicht nur eine Gründung Leopold III. (1133), sondern auch Grabstätte seines Sohnes und Nachfolgers Leopold IV., der im Bildteppich links von ihm kniet.