Zylinderförmiger Krug mit angesetztem Bandhenkel und Zinndeckel; auf dem Boden die Fabrikmarke X. Rötlich erscheinender Scherben mit weißer Glasur und intensiv leuchtender polychromer Inglasurmalerei. Im Inneren des Zinndeckels die Städtemarke von Freiberg in Sachsen und zwei Meistermarken des Carl Freidrich Pilz jun. 1820 (siehe untenstehenden Link [Zugriff: 23.06.2021]). Der Krug liegt im Gegensatz zu vielen weiteren Gefäßen dieses Typs aus der Sammlung des Potsdam Museums sehr leicht in der Hand. Die Wandung zeigt die bekannte, in zahlreichen Varianten aus der niederländischen Fayencekunst und ihren grafischen Vorlagen bekannte, nach Osten importierte Szene eines chinesischen Würdenträgers mit schirmtragendem Diener, der in diesem Fall hinter seinem Herrn auf dem Boden kauert (vgl. Ausst.-Kat. Der schöne Schein 2013, Kat. 39, nach Claudia Keisch in Ausst.-Kat. Herrliche Künste und Manufacturen, passim). Die seitliche Wandung wird von zwei elegant geschwungenen Palmen beherrscht. Karola Paepke ordnet das X der Manufaktur Lüdicke/Berlin zu. Dies konnte bislang anhand der Literatur nicht belegt werden. Als Maler-, nicht als Fabrik- oder Drehermarke erscheint das X auf Erzeugnissen der Manufaktur Funcke (Graesse, Führer für Sammler von Porzellan und Fayence, 1986, S. 36). Die Zeichnung der Figuren und der Flora, insbesondere der rostroten Blüten unterhalb der Palmen, die Palmen selbst sowie das Zebramuster des Bandhenkels könnten auch auf ein Thüringer, Magdeburger oder sächsisches Produkt hinweisen (vgl. Mahnert, Thüringer Fayencen, 1993, S. 15f.; Ausst.-Kat. Die Magdeburger Fayence- und Steingutmanufaktur 1995, Kat. 227-228, Steingut; siehe auch den Eintrag zu 78-46-FA, Walzenkrug mit Pferdemotiv); die Zinnfassung selbst stammt aus Sachsen. Fassung und Krug müssen nicht zwangsweise an einem Ort und nicht einmal in nahe beieinander liegenden Jahren entstanden sein, so dass die Identifizierung der Zinnmarke keinen abschließend sicheren Hinweis auf den Entstehungsort der Keramik zulässt.
Der Krug war 1955 Teil der Ausstellung „Potsdamer Gläser und Fayencen“ im ehem. Marstall und 1971 der von Karola Paepke kuratierten Ausstellung „Sammeln – Forschen. Der Potsdamer Sammler Dr. Paul Heiland (1870–1933)“. Die Provenienz aus der Sammlung Heiland ist anzunehmen, kann nach vorliegenden Unterlagen (Karteikarte, Testament) jedoch nicht eindeutig verifiziert werden. [Uta Kumlehn]