1792 besetzt die Armee der französischen Republik unter General Adam Philipp Custine (1740 – 1793) die Stadt Speyer, muss sich bald aber wieder zurückziehen. Nach wechselndem Kriegsverlauf gehört Speyer schließlich, wie das gesamte linke Rheinufer, ab dem Frieden von Campo Formio (1797) für einige Jahre zu Frankreich. Die Revolution hatte über das Alte Reich gesiegt. In der Stadt wird als Symbol der neuen Republik ein Freiheitsbaum errichtet. Johannes Ruland zeigt in seiner Radierung dieses Ereignis vom 21. März 1798 (nach dem Revolutionskalender 1. Germinal im 6. Jahr der Republik). Unmittelbar vor dem Dom – von dessen Westbau aus der Künstler die Szenerie beobachtet hat – wird eine hohe, bis auf die Spitze gänzlich entastete Tanne aufgepflanzt. Junge Männer halten an Bändern den Baum im Gleichgewicht, dessen Fuß gerade in die Erde versenkt wird. Im weiten Rund sieht man einen Kreis junger Frauen, die sich an den Händen halten und um den Baum tanzen. Der Platz ist voller Menschen, die der Errichtung des Freiheitsbaumes beiwohnen. Im Hintergrund ist ein weiterer, offensichtlich älterer Freiheitsbaum auf der Hauptstraße zu sehen. Das Fest mit seinen verschiedenartigen Festelementen kann als eine symbolische Inbesitznahme des öffentlichen Raumes angesehen werden. [Ludger Tekampe]