Original: Deutsch
Hans Pfau (1911-1995)
Zur Beisetzung am 16.3.1995
Meine sehr verehrte Frau Bader,
sehr geehrte Herren !
Wir müssen von Herrn Hans Pfau Abschied nehmen.
Gestatten Sie mir, bitte, daß ich versuche den
Menschen Hans Pfau in einigen Zügen zu charak-
terisieren.
Erst vor 5 Jahren lernte ich Herrn Pfau kennen.
Zunächst erlebte ich ihn als einen recht ver-
schlossenen Mann. Er war hochintelligent und
dabei ausserordentlich kritisch gegenüber allem,
was gemeinhin als allgemein gültig gilt. Seine
Meinung äusserte er unverblümt. Er war kein
einfacher Mensch.
Wenn er aber einen Dritten näher
kennengelernt hatte
und wenn er -was selten vorkam- zu einem Anderen
Vertrauen gefasst hatte, dann offenbarte er sich
als ein durchaus zugänglicher, aufgeschlossener
und auch kontaktbereiter Mann.
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Hans Pfau ist in Bad Dürkheim an der Wein-
straße geboren und aufgewachsen. Sein Vater
war ein gesuchter Restaurateur und Kirchenmaler.
Der junge Pfau machte sein Abitur in Ludwigs-
hafen. Über den 18-jährigen schrieb sein
Klassleiter eine Beurteilung, die ich Ihnen
vorlesen möchte, weil hier seine Fähigkeiten
und Begabungen trefflich geschildert sind
und
weil der Schüler hier so charakterisiert
ist, wie sich der Mann später entwickelt hat
und wie auch ich ihn im Alter kennenlernte.
— Seite 3 —
"Die Entwicklung des Schülers
-schreibt der Studienrat-
wird er sicher Hervorragendes leisten:"
Oberrealschule Ludwigshafen a. Rh.
GUTACHTEN
Die Entwicklung des Schülers Hans Pf a u
ist noch zu keinem vollen Abschluß gelangt.
Doch lassen sich wesentliche Züge seiner Eigenart erkennen. Sein
gesundes Selbstbewußtsein und seine Sicherheit und Ueber-
legenheit im Auftreten hat er sich gewonnen aus dem Be-
wußtsein seiner reichen Begabung. Er hat eine sehr
gute Auffassungsgabe, einen rasch und durchringend
arbeitenden Verstand und ein hervorragendes und
zuverlässiges Gedächtnis. Dazu kommt ein offener Blick für
die Vorgänge des Lebens, eine klare Vorstellungskraft
und eine sichere Hand. Veranlagung und Neigung richten
sich in erster Linie auf die Anwendungen der Mathematik
und Naturwissenschaften, insbesondere die Technik,
so fällt es ihm leicht alle Aufgaben, die nicht rein theo-
retisch-spekulativ sind, spielend zu lösen. Jeder Aufgabe
aus dem Gebiet der angewandten Wissenschaft ist er ge-
wachsen.
Seine ganze Teilnahme gehört deswegen auch
den Wissensgebieten, die sich unmittelbar praktisch aus-
werten lassen, also der Physik, der angewandten Mathematik,
auch der Chemie.
Wenn er nun einen Beruf findet, in dem sich
diese seine Sonderbegabung entsprechend auswirken kann,
so wird er sicher Hervorragendes leisten.
Ludwigshafen a/Rhein, den 26. Januar 1951.
Der Klaßleiter v.9a: Direktorat der Oberrealschule:
[Unterschrift] [Unterschrift]
Studienrat. Oberstudiendirektor.
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Herr Pfau hat solch einen Beruf gefunden.
Er wurde Diplom-Ingenieur; sein Spezialgebiet
war der Bau von Strömungsmaschinen. Im Krieg
arbeitete er bei Blohm & Voß an der Entwick-
lung und Erprobung eines Torpedogleiters.
Später befasste er sich in anderen Betrieben
mit der theoretischen und konstruktiven Neu-
entwicklung und Verbesserung von Regelventilen.
Im privaten Leben war Herr Pfau durch den Tod
nach schweren Krankheit seiner Frau und durch
den Verlust des einzigen Sohnes schwer getroffen.
Im Alter zog es ihn wieder in die Pfalz und
nach Bad Dürkheim. Er richtete sich eine fein-
mechanische Werkstatt ein für seine ganz erstaun-
lichen microtechnischen Experimente. So ent-
wickelte er z.B. kleine, technisch vollendete
Spieluhren mit Solarzellen in hölzernen Reso-
nanzkästchen mit kunstvollen Intarsien. Die
dazu notwendige Solartechnik und das Notenlesen
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hatte er sich selbst beigebracht.
An der Arbeit der Museumsgesellschaft Bad Dürk-
heim war er immer sehr interessiert und zwar
nicht nur an deren naturwissenschaftlichen
Aufgaben, sondern ebenso an ihren heimat-
geschichtlichen Tätigkeiten.
Gern und oft traf er sich mit seinem Schul-
freund Hans Ellenberger und dessen Frau.
Und er wanderte gern und lange im Pfälzerwald,
meist in Begleitung von Helga Ellenberger,
deren Mann nicht mehr so gut zu Fuß war.
In weitem Umkreis kannte er jeden Felsen und
jede Quelle und wußte von ihrer Geschichte.
In den letzten Jahren seines Lebens hatte
Herr Pfau die Freude, daß die seit 45 Jahren
bestehende freundschaftliche Verbindung zu
Frau Tilly Bader neu auflebte und Frau Bader
hat ihn dann auch während seiner schweren Krank-
heit bis ganz zuletzt liebevoll umsorgt.
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Wir verlieren mit Herr Hans Pfau eine wertvolle,
ungewöhnliche Persönlichkeit. Die Mitglieder
der Museumsgesellschaft verlieren einen Freund,
an den sie sich gern erinnern werden.
Als letzten Gruß will ich einen Waldkranz
auf sein Grab legen.
[Unterschrift] Heinz Reichardt