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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. HM 9514, Fragment einer Bodenstanduhr mit Flötenwerk
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 48, Christian Möllinger, Astronomische Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1791
Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. SM 2011-0798, Christian Möllinger, Bodenstanduhr mit Flötenwerk, 1797
Material/Technique
Gehäuse: Nussbaumwurzelholzfurnier auf Nadelholz; Auflagen fürs Spielwerk innen: Eiche; Scheibenförmige Applikationen: Lindenholz; Applikationen: Messing, vergoldet; Textil; Glas, verspiegelt. Uhrwerk: Messing, Stahl; Flötenwerk: Pfeifenlade Lindenholz; Basisbrett Eichenholz; Platine/Spielwerksrahmen: Messing; Walze: Lindenholz, Messing; Balganlage: Ziegenleder
Das von Christian Möllinger geschaffene Uhrwerk besteht aus einem runden Vollplatinenwerk mit unterem geraden Abschluss und Halbstundenschlagwerk auf eine Glocke. Es befindet sich in dem kleinen oberen Kasten des Gehäuses (Rückplatine: D: 13,4 cm, Platinestärke: 0,3 cm, Pendellänge: 19,5 cm, Vorderplatine T: 0,35 cm, Werkpfeilerhöhe: 3,55 cm). Das Werk besitzt eine rückführende Hemmung nach Clement mit Stahlanker, ein Schlossscheibenschlagwerk, zwei große umlaufende Federhäuser und ein Pendel mit Fadenaufhängung. Die Gangdauer beträgt 14 Tage. Auf dem Email-Zifferblatt mit zwei Aufzugslöchern zwischen III und IIII sowie VIII und IX steht die Signatur „Möllinger A · BERLIN“. Das Zifferblatt mit 15 cm Durchmesser, wohl eine Arbeit von dem in Friedrichsthal bei Oranienburg sowie in Berlin tätigen Zifferblatthersteller Louis Buzat, zeigt größere römische Stunden- und kleinere arabische Fünfminutenziffern sowie eine Minuterie mit Punkten, die Fünfminuten sind etwas stärker ausgebildet. Die Zeiger bestehen aus durchbrochen gearbeitetem, ziseliertem und vergoldetem Messing. Die ursprünglich vorhandene Auslösung zwischen Uhr- und Spielwerk funktioniert derzeit nicht.
Das runde Uhrwerk mit der abgeflachten unteren Seite verweist auf Möllingers Lehrmeister Christian Ernst Kleemeyer (1739-1799), welcher diese typische Berliner Art von robusten Uhrwerken für viele seiner Flötenuhren bzw. Pendulen benutzte. Es war platzsparend, denn man konnte auf einen zusätzlichen Gewichtsantrieb verzichten. Die Ganggenauigkeit ist allerdings bei gewichtsgetriebenen Bodenstanduhren exakter. (Marina de Fümel)
Das Flötenwerk ist zwar nicht signiert, kann aber ebenfalls Christian Möllinger zugeschrieben werden. Es befindet sich im mittleren Gehäusekasten hinter der Walze und ist auf ein Basisbrett (H: 4,3 cm; B: 49,5 cm; T: 40,8 cm) montiert. Zum Abtasten der Walze sind 31 Claves vorhanden. Davon sorgen 29 für die Wiedergabe des Tones im Umfang von c-e‘‘‘. Zwei Claves bedienen die Schaltung der beiden Register für Forte- und Piano-Spiel. Die Labialpfeifen befinden sich hinter dem Clavesblock und sind aufsteigend in Doppelreihe angeordnet, je mit 29 Pfeifen (forte) bzw. 23 Pfeifen (piano). Um die Tonstärke zu verringern, wurden die Bohrungen mit Bleieinlagen in den Pfeifenfüßen verengt.
Die Walze (L: 36 cm; D: 15,8 cm; Walzenöffnungen rechts und linksseitig differierend 1,5 und 1,2 cm) liegt auf einer quadratisch geformten und konisch verlaufenden Achse, wodurch die Öffnungen an beiden Seiten differieren. Sie ist schraubenförmig mit Stiften und Brücken bestiftet. Nach dem Auslösen des Spielwerkes wird die Walze von einem schneckenförmigen Rad automatisch seitlich verschoben und dreht sich mehrfach um die eigene Achse. Die ursprüngliche Beschriftung an der Stirnseite der Walze ist nicht mehr lesbar.
Rechtsseitig, auf dem Basisbrett, befindet sich das Antriebswerk (Platine/Spielwerkrahmen auf Seite des Antriebes: H: 19,7cm; B: 26,5 cm; Plattenstärke: 0,35 cm; gegenüberliegende Seite: H: 23,1 cm; B: 23,4 cm, Rahmendicke: 0,7 cm). Es ist als rechteckiges Vollplatinenwerk gefertigt, deren verkürzte Rückplatine für den freien Lauf der Walze ausgeschnitten ist, ein typisches Merkmal der Berliner Bauweise. Dies trifft auch auf die Lagerung der Seiltrommel zwischen den beiden Platinen zu. Über die Seiltrommel läuft der Gewichtsaufzug, mit dem das Werk angetrieben und mit einer Kurbel an der rechten Seite aufgezogen wird. Der Windfang mit seinen eckigen Windflügeln ist mittels Stahlkloben oberhalb der Platinen gelagert.
Direkt über der Mechanik ist der Blasebalg mit Magazinbalg und zwei Schöpfbälgen untergebracht (Balganlage: H: 6,0 cm; B: 39,5 cm; T rechts: 17 cm, T links: 14,5 cm). Zu dieser Uhr gehören vier Walzen, deren Beschriftung nur noch auf einer Walze mit zwei Satzbezeichnungen, Andante und Allegro, lesbar ist. Nur eine Walze ist derzeit spielbar, das darauf notierte Musikstück konnte bisher nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Melodie entspricht dem Zeitgeschmack im Stil der Wiener Klassik und ist harmonisch sehr einfach ausgeführt. Nach einer Wiederholung des Themas wird dieses in schnellem Tempo variiert. Mit den zwei Registern in Forte und Piano erzeugt das Flötenwerk ein dynamisches Spiel. Christian Möllinger war mit vielen zeitgenössischen Berliner Komponisten bekannt. Möglicherweise verlangte der Besitzer dieser Uhr eine Walze mit einem erfolgreichen, aber kurzlebigen und heute vergessenen „Tagesschlager“ für die häusliche Unterhaltung. (Vgl. Tonaufnahme 2020)
2019/20 wurde das Flötenwerk von Horst Riesebeck restauriert. (Anne Franzkowiak, Franka Görike)