Zur Werkgruppe “Burg Giebichenstein“
Eine umfassende Werkgruppe von Gerda Leo ist in den Kontext der heutigen “Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle“ zu stellen. Hier studierte sie, experimentierte das erste Mal intensiv mit der Fotografie, erhielt erste Aufträge und arbeitete für die Fotoklasse als Hans Finslers Assistentin. Und natürlich war sie Teil der Studierenden: Fotografierte Freunde und Kommilitonen, fertigte Werkreproduktionen der anderen Werkstätten und Klassen, nahm Ateliers und andere Räumlichkeiten oder Gebäude auf. So sind Leos Fotografien mit thematischen Bezug zur Burg auch als Chronik der Kunsthochschule zu sehen. Stilistisch betrachtet sind diese Aufnahmen auch dem “Neuen Sehen“ verhaftet. Das Wesentliche der Dinge oder Situationen kehrte sie mittels ungewöhnlicher Perspektiven, Spielen von Licht und Schatten, von Schärfe und Unschärfe heraus.
Zum Motiv “Eisengitter über dem Laubenrondell der Burg“
Herausgelöst aus der Umgebung und befreit von der Funktion breiten sich von zwei Kreisen alternierend, unterschiedlich starke Strahlen aus. Die ornamentale Spitze ragt gen Himmel, der in der Schwarzweißfotografie mit vielfältigen Grauwerten die Leinwand bildet. Ein filigranes Geäst eines Netzes ummantelt das wohl strukturierte Eisen und erzeugt einen auf Formen basierten Komplementärkontrast: stark-zart, Ordnung-Chaos, tiefschwarz-Grauwerte. Gerda Leo wählte die Perspektive zudem sorgfältig, sogar meisterhaft aus. Von unten nach oben fotografierend und damit aus der Umgebung lösend, rückte sie den kleineren Kreis etwas aus der Bildmitte nach unten, um den Schmuck präsenter zu setzen. Das ornamentale Dekor könnte durch Leos perspektivischen Kniff sowohl nach unten als auch nach oben zeigen. Hier erfordert es genaues Sehens. Auch erscheint die Symmetrie gestört, denn in der unteren Bildhälfte befinden sich mehr Eisenstreben. So verkörpert die Fotografie des Eisengitters über dem Laubenrondell im Hof der Burg Giebichenstein nicht nur eine Sachaufnahme des "Neuen Sehens“ par excellence - sie zeigt auch die ganze Schönheit der Struktur und die Leichtigkeit, die einem Metall wie Eisen, innewohnen kann.