Die größte und wohl spektakulärste Skulptur der Eiszeitkunst stammt aus dem Lonetal bei Ulm und zählt zu den frühesten figürlichen Darstellungen der Menschheit. Vor über 35.000 Jahren von einem Menschen der Altsteinzeit aus einem Mammutstoßzahn geschnitzt, gilt der "Löwenmensch" heute als eine der bedeutendsten Entdeckungen der urgeschichtlichen Archäologie. Als die Grabungen in der Stadel-Höhle am Hohlenstein am 25. August 1939 kriegsbedingt abgebrochen werden mussten, waren sich Otto Völzing und sein Team bereits bewusst, dass die unzähligen Bruchstücke und Splitter, die sie eilig in Kartons verpackten, zu einer Elfenbeinskulptur gehören mussten. Doch auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges befasste sich der Auftraggeber der Grabung, Robert Wetzel, nicht mit den Fragmenten, obwohl er wusste, welchen Sensationsfund er gemacht hatte. Nach seinem Tod 1962 gelangten sämtliche Ausgrabungsfunde ins Ulmer Museum und blieben dort unberührt, bis 1969 erstmals Mitarbeiter des Museums begannen, die über 200 Elfenbeinfragmente zusammenzusetzen. Das Ergebnis war die erste Rekonstruktion eines Mischwesens, dessen Erscheinungsbild sich nochmals durch weitere ins Museum gelangte Fragmente veränderte. Seine Gestalt blieb nur bis 1987/88 bestehen, als die erste fachgerechte Restaurierung vorgenommen wurde. Seitdem glaubte man, dass sich das Äußere der Figur nicht mehr verändern würde. Bei neuen Grabungen zwischen 2009 und 2012 vor und innerhalb der Stadel-Höhle hatte man jedoch völlig überraschend die Fundstelle des Löwenmenschen von 1939 wiederentdeckt und mehrere hundert Elfenbeinfragmente gefunden. Nach ersten Anpassungsversuchen war ersichtlich, dass es sich bei den Funden tatsächlich um weitere Elfenbeinstücke des Löwenmenschen handelte. Daraufhin wurde die Statuette 2012/13 im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen in ihre Einzelteile zerlegt und mit den neuen sowie den alten, bisher nicht anpassbaren Fragmenten weiter vervollständigt - das wahrscheinlich schwierigste Puzzle seit der Eiszeit. Seitdem zeigt sich der "Löwenmensch", der tierische und menschliche Attribute vereint, in veränderter Proportion. Der raubkatzenartige Kopf mit Schnauze vergrößerte sich und Partien wie z. B. die rechte Pranke und die Schulter konnten ergänzt werden. Die Figur ist halb Tier, halb Mensch. Vorbild für die tierischen Details war ein Höhlenlöwe, der während der letzten Eiszeit auf der Schwäbischen Alb lebte. Aufgrund eines dreieckigen, vormals rechteckigen Elfenbeinstücks im Schambereich der Figur können sogar Aussagen zum Geschlecht getroffen werden: Mit hoher Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei dem Löwenmenschen um ein männliches Wesen.
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