Cul-de-lampe in Form einer tiefen Messingschale mit Akanthusrosette, Perlstab und Abschluss-Blüte; Schale nach oben in breiten Trägerreifen übergehend; Reifen von Perlstäben und Godronierungen eingefasst und mit Akanthusrosetten verziert; daran 6 Kerzenarme in Form von elegant geschwungenen Greifen mit Fischschwänzen; typische Schinkeltüllen ohne Tropfteller; Schale hängt an 6 Rosettengliederketten, die zu einer Bekrönung in Form einer tief profilierten Scheibe mit Aufsätzen aus durchbrochenen Palmetten hinaufführen.
Es besteht die Möglichkeit, dass Friedrich Wilhelm III. diese Schalenkrone zu Weihnachten geschenkt bekam. (1) Handschriftlich vermerkte der König auf dem Dispositionsplan zur Inneneinrichtung des Roten Kabinetts im Neuen Pavillon neben Schinkels Eintrag eines „kleinen bronzenen Kronleuchters“: „den zu Weihnachten erhalten“. (2) Wohl kurz darauf entstand eine Rötelzeichnung, mit der Schinkel die Leuchtermodelle festlegt und für das „Purpur Cabinet“ eine „Bronzeschaale mit Greifen à 6 Lichte“ definiert. Des Weiteren hat sich ein Schnitt durch den Pavillon vom damaligen Baukondukteur Albert Dietrich Schadow erhalten, in dem dieses Leuchtermodell leicht variiert eingezeichnet ist. (3) Die Schalenkrone spiegelt das Schicksal des Neuen Pavillons im 20. Jahrhundert mit seiner umfangreichen Restaurierungs-, Rekonstruktions- und Wiederherstellungsgeschichte. Sie ist mit großer Wahrscheinlichkeit – eventuell vor oder auch im Zusammenhang mit der Neueröffnung des Pavillons 1936 – nach einer Vorlage oder einem Vergleichsstück neu angefertigt bzw. nachgegossen worden. Nachdem der Pavillon im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern ausbrannte, erfolgte 1953 eine weitere drastische Überarbeitung. Die Biografie des Leuchters konnte bislang noch nicht in allen Abschnitten geklärt werden, doch zeigte die Autopsie des Stückes deutlich, dass es sich nicht um ein Original aus der Zeit um 1820-1825 handeln kann. Obwohl keine Entwurfszeichnung Schinkels erhalten blieb, ist deutlich zu erkennen, dass die Überarbeitungen auch den Schinkelschen Entwurf verfälscht haben. Die Ketten sind stark verkürzt, die Tüllenform verändert. Die Rosetten, die Abschlussrosette der Schale sowie die Bekrönung entsprechen ebenfalls nicht dem Formen- und Proportionsverständnis eines Karl Friedrich Schinkel auf der Höhe seines Könnens in Bezug auf die Gestaltung von Kronleuchtern. Die Idee von Lichtträgern oder Kerzenarmen in Form von Greifen mit Fischschwänzen (4) ist in einer Entwurfszeichnung Schinkels zu einem Ampelleuchter erhalten. (5)
Da die Qualität der Bronzearbeit wegen der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und der danach erfolgten fast vollständigen Rekonstruktion – lediglich ein Leuchterarm und die untere Schale sind nicht rekonstruiert worden, hatten aber Brandschäden – nicht mehr zu beurteilen ist, erfolgt die Zuschreibung des originalen Leuchters an die Bronzefabrikanten Werner und Neffen zum einen anhand einer Quelle zur Einrichtung des Berliner Palais des Prinzen Karl von Preußen 1828. Prinz Karl wählte aus einem Vorrat von Musterblättern von Werner und Neffen eine Greifenkrone für seine Bibliothek im Palais am Wilhelmplatz in Berlin. (6) Zum anderen ist eine Schalenkrone nach diesem Modell jüngst im Kunsthandel aufgetaucht. Hieran ist die Herkunft aus der Wernerschen Werkstatt eindeutig ablesbar und gleichzeitig die unübertroffene Meisterschaft sowohl im Entwurf als auch in der Ausführung zu bewundern. (7) Die Provenienz des im Kunsthandel befindlichen Leuchters liegt noch völlig im Dunkeln. Es sollte bei weiteren Forschungen die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass dieser Leuchter das Original aus dem Roten Zimmer des Neuen Pavillons ist.
(1) Dass es sich bei den Beischriften um die Handschrift Friedrich Wilhelms III. handeln könnte, wurde bereits 2011 durch Eva Börsch-Supan vermutet. Siehe Börsch-Supan, Eva, 2011, S. 206f., Anm. 475. Herzlichen Dank an Christoph von Wolzogen für die Bestätigung der Handschrift des Königs. Ob es sich bei der Greifenkrone tatsächlich um ein Weihnachtsgeschenk handelt und von wem dieses überreicht worden sein könnte, konnte bislang nicht geklärt werden. Weiter bleibt zu bedenken, dass der Leuchter in der Kostenabrechnung mit 160 Talern gelistet ist. Siehe SPSG, AK 110 (Bausachen der Königlichen Schlösser, 1823-1826), fol 149r. – SPSG, Hist. Akten, Nr. 110, fol. 149r.
(2) SPSG, Hist. Akten, Nr. 389, fol. 37. – Der Dispositionsplan zur Inneneinrichtung ist in mehreren Fassungen erhalten. Das Exemplar für den König ist mit handschriftlichen Vermerken versehen. Siehe Börsch-Supan, Eva, 2011, S. 206-211, Anm. 475.
(3) Der Schnitt von Schadow ist keineswegs als Entwurfszeichnung zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um ein Präsentationsblatt für den Auftraggeber, um den allgemeinen Eindruck zu visualisieren. Der Inhalt des Blattes entspricht in vielen Punkten nicht dem historischen Bestand.
(4) Vielen Dank für den Hinweis an Frank C. Möller, Hamburg. Ob sich eine poetische Idee oder Ikonografie hinter der Verwendung des „Fischgreif“-Motivs in Bezug auf den Leuchter oder in Zusammenhang mit König Friedrich Wilhelm III. verbirgt, ist noch nicht erforscht.
(5) SMB PK, Schinkel Nachlass, Inv. Nr. SM 37b.81.
(6) 736GStA PK, BPH, Rep. 192, Sievers, Nr. 8, o.Fol. Schreiben von Werner und Neffen vom 24. März 1828 (Abschrift von Sievers aus den Handakten von August Stüler).
(7) Ich danke Herrn Frank C. Möller, Hamburg, der diesen für die Leuchterforschung höchst bedeutenden Vergleich initiierte, ermöglichte sowie den Nachguss bestätigte.
Birgit Kropmanns
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