Giulio de´ Medici, seit 1513 Kardinal und als Clemens VII. Papst von 1523-1534, war ein herausragender Kunstmäzen seiner Zeit und großer Bücherliebhaber. Sein römisches Missale, 1520 von dem vielgerühmten Schreiber Ludovicus degli Arrighi aus Vicenza signiert, ist eine der reichsten und am besten erhaltenen Handschriften aus seinem Besitz.
Die luxuriöse Ausstattung ist von phantasievoller Vielfalt und leuchtender Farbigkeit. Vom Selbstbewußtsein des Auftraggebers zeugen die fast auf jeder Seite wiederkehrenden Familienwappen mit den Medici-Kugeln, oder das bereits vom Großvater Lorenzo il Magnifico verwendete Emblem der dreifarbigen Pfauenfedern und Diamantring mit dem Motto SEMPER, der Kardinalshut und Inschriften, die Kardinal Giulio als Besteller ausweisen. Diese Motive sind eingefügt in Initialen, Zierleisten und die ganzseitigen Rahmen, deren Dekoration auf farbigem, dunklem oder Goldgrund Juwelen, Perlen und geschnittene Steine, Streublumen und Blattranken zwischen Medaillons, Putti, Vögeln, phantastischen Wesen und Renaissancegrotesken zeigen. Auffallend häufig sind Dompfaff und Blaumeise zu erkennen, die als ein >Markenzeichen< des Illuminators gelten können. Dieser Hauptmeister wird mit Matteo da Milano identifiziert. Sein Name ist genannt in den Rechnungsbüchern des ferraresischen Hofes für Miniaturen im Breviarium der Herzöge Ercole l. und Alfonso l. d´Este (Modena, Bibl. Estense, lat. 424). Hier, wie auch in verschiedenen anderen Handschriften und Einzelblättern finden sich die charakteristischen Merkmale seines Stils, geprägt von ferraresisch/venezianischen und mailändischen Elementen. In den Landschaftshintergründen lassen sich Motive aus graphischen Blättern von Dürer nachweisen, die er vermutlich in Ferrara gesehen hatte, und auch die Kenntnis von niederländischen Miniaturen wirkt nach in den Streublumen auf farbigem Grund der Rahmendekorationen. Das Berliner Missale ist ein Meisterwerk Matteos aus der Zeit seiner Tätigkeit in Rom.
Text: Frauke Steenbock in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 60, Kat. I.15 (mit weiterer Literatur)
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