Die Zeichnung bereitet einen Holzschnitt vor, der 1864 in dem Album „Neuer Strauß für’s Haus. Von Ludwig Richter“ erschien. Allerdings wird dort der Bezug zu dem 1776 verfassten Drama Goethes „Die Geschwister“ nicht vermerkt. Der übliche Titel „Kleinhandel“ geht auf Ludwig Richter selbst zurück. Er entspricht vollständig dem Sinn einer nächtlichen Marktszene in Goethes Schauspiel. Eine in wichtigen Motiven abweichende Version der Zeichnung ist 1856 im Auftrag von Richters Verleger Georg Wigand für dessen Leipziger Kollegen und Goethe- Sammler Samuel Hirzel entstanden.
Die beiden prominent ins Bild gesetzten Hunde verbürgen durch ihre Teilhabe am Geschehen das äußerst penible und gerechte Gebaren der alten Marktfrau als auch das Vertrauen ihrer Kundschaft. In ihrem Mikrokosmos, der durch das Licht großflächiger weißer Papierzonen scharf profiliert ist, stellt die Gruppe eine komplette (klein-)bürgerliche Gesellschaft vor. Ein Großteil der Illustrationen Ludwig Richters ist von Hunden belebt.
Sie bestärken, wie die vielen Kinder in seinen Bildern, affektiv Mentalitäten, die ihre Identität in familiär-überschaubaren, vertrauten Verhältnissen suchen: der Hund als Emoticon und Bieder-Pet.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Wir kommen auf den Hund. Werke aus fünf Jahrhunderten von Dürer bis Dieter Roth. Eine Sommerausstellung im Kupferstichkabinett, hg. von Hein-Th. Schulze Altcappenberg und Lydia Rosía Dorn, Berlin/Petersberg 2015,
S. 44.
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