Fünf große, bisher unpublizierte Initialen aus einem Chorbuch waren für den Händler oder Sammler, der sie vermutlich im 19. Jahrhundert ausgeschnitten hat, offensichtlich nur von dekorativem Interesse. Keine Spur des zugehörigen Textes sollte den Eindruck trüben. (...) Glücklicherweise sind auf den Rückseiten der Fragmente Reste der sorgfältig geschriebenen Texte und der Quadratnotation auf Vierliniensystemen erhalten. Es handelt sich in allen Fällen um Responsorien zu den wichtigen Festen im Laufe des Kirchenjahres.
Der heute wohl verlorene Codex, aus dem sie stammen, war demnach ein Antiphonarium officii. Wie üblich, wurde das erste Responsorium
zum ersten Adventssonntag durch eine A(spiciens)-Initiale, hier mit goldenen Ranken, hervorgehoben (vgl. Kat. 13). (...) Das H(odie) zu Epiphanias ist Tummelplatz für Fabelwesen, Wasservögel und zwei Hirsche in symmetrisch angeordneten Medaillons. Die Bilder haben keinen Bezug zum Responsorium, in dem die Taufe Jesu memoriert wird. Unklar bleibt auch, ob der gegen einen Drachen kämpfende hl. Georg in der Weihnachtsinitiale als Hinweis auf ein Patrozinium des Bestimmungsortes gewertet werden darf.
Text: Beate Braun-Niehr, in: Schrift als Bild, hg. von Michael Roth, Petersberg, 2010, S. 30, Kat. 14 (mit weiterer Literatur)
Entstehungsort stilistisch: Oberrhein oder Schweiz
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