Die um 1800 aufkommende Mode des "Service à la russe", bei der die Speisen auf Gedecktellern angerichtet und anschließend am Platz serviert wurden, löste die zuvor praktiziere Bedienung aus Terrinen direkt an der Tafel ab. So konnte die nun frei bleibende Tischmitte mit Aufsätzen geschmückt werden, in denen anstelle der Gerichte Seidenblumen drapiert wurden. Die farbigen Blüten traten in ein reizvolles Wechselspiel mit dem bevorzugten Material der Aufsätze, der feuervergoldeten Bronze. Diese Surtouts de table mit zumeist antiker Motivik stellten vor allem französische Ateliers her. Großer Beliebtheit erfreuten sie sich auch im preußischen Königshaus, von dem Schinkel Aufträge für die Gestaltung von mindestens drei bronzenen Tafelaufsätzen erhielt. Diese wurden wohl von dem Berliner Unternehmen Werner & Neffen ausgeführt.
In der Skizze zu einem Tafelaufsatz für Kronprinz Friedrich Wilhelm hat Schinkel sich hinsichtlich des Arrangements aus Füllhörnern tragenden Viktorien auf Säulen, Figuren auf Postamenten und Schalen von den französischen Vorbildern gelöst und eine ungewöhnliche Reihung ohne zentrales Mittelstück vorgeschlagen. Möglicherweise hat er durch die Übersetzung seiner ähnlich am Brandenburger Tor und der Opernbrücke aufgebauten Festdekorationen für die 1814 aus den Befreiungskriegen heimkehrenden preußischen Truppen in den kleineren Maßstab eines Surtouts an dieses wichtige politische Ereignis erinnern wollen. Der Entwurf gibt den Aufsatz in einer Ansicht und im Plan wieder. Darunter präzisierte Schinkel die Statuetten, die unter anderem auf Werke zeitgenössischer Bildhauer zurückgehen. So zitieren die beiden Figuren in der Mitte eine Ganymed-Statue von Bertel Thorvaldsen und Antonio Canovas Hebe, die von Friedrich Wilhelm III. als eine der wenigen zeitgenössischen Skulpturen für das Museum am Lustgarten erworben wurde (Nationalgalerie SMB, Inv. B I 31).
Text: Nadine Rottau (2013)
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