»Nein, das was ich schreibe, ist nicht meine Lebensgeschichte. – Möge man diese bunten Erinnerungen etwa als einen Feldblumenstrauß betrachten, der ohne System und Absicht lose zusammengebunden ist, gepflückt an der Oberfläche, die sich über dem tieferen Abgrund des Daseins ausbreitet« (H. Thoma, Im Herbste des Lebens, München 1909, S. 42 f.). Der »Feldblumenstrauß« ist nicht nur ein malerisches Motiv, sondern auch Metapher: Feldblumen sind einfach und schlicht, ungekünstelt, weder elegant noch pathetisch. Für Thoma waren sie ein Bild seines Lebens. Und die ›ehrliche‹ Darstellung des Lebens wie der Blumen besaß in seinen Augen fast religiöse Würde. So erscheint es voller Sinn, daß sich unter dieser Darstellung ein Selbstbildnis des Künstlers befindet; Röntgenaufnahmen zeigen das Porträt des Malers und den Feldblumenstrauß übereinander.
Bei Courbet hatte Thoma realistisch gemalte Feldblumen bewundert, in kräftigen, pastos aufgetragenen Farben, wie den Inbegriff wild wuchernder Naturkräfte. Courbet bildete sie weniger ab, als daß er ihren Eindruck in Farbmaterie umsetzte. Die Sträuße von Thoma aber sind nicht nur zarter, sondern auch gefaßter. Es überrascht nicht, daß sie häufig in zu enge Vasen gepreßt scheinen. Der zurückhaltendere Blick auf die Dinge spiegelt sich auch in der Technik wider. Thoma malte nicht wie Courbet und Leibl mit dicker Ölfarbe ganz unmittelbar ›alla prima‹, er legte Wert auf Feinheit und Durchsichtigkeit der Farbschichten und behielt daher die als Student erlernte Lasurtechnik bei. | Angelika Wesenberg
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