Mit der überraschten, plötzlichen Wahrnehmung der mächtigen Ruinen der alten Marienburg südöstlich von Danzig erwachte auch in Preußen die Mittelalterbegeisterung, gefolgt von einem neuen Sinn für Denkmalpflege. Im Jahre 1794 hatten die Architekten David und Friedrich Gilly, Vater und Sohn, den Ort inspiziert. Während der Vater empfahl, große Teile zugunsten eines Militärmagazins abzureißen, fertigte der Sohn Zeichnungen der imposanten Reste an, die er im folgenden Jahr in der Berliner Akademieausstellung der Allgemeinheit vorstellte. Sie zeigten sowohl fiktive Ansichten des unzerstörten Baus wie Ansichten des Vorgefundenen. Der Kupferstecher Johann Friedrich Frick setzte die Zeichnungen in prächtige Aquatintablätter um und veröffentlichte sie mit einem einführenden Text (»Schloß Marienburg in Preußen«, in Lieferungen erschienen 1799–1803). Die wachsende romantisch-patriotische Begeisterung für dieses Geschichtsdenkmal bewirkte, daß der preußische König den Schutz des Baues anordnete.
1815 dann genehmigte der preußische Staatskanzler Fürst Hardenberg die Pläne zur Restaurierung der Burg. Es war das erste große, patriotische Bauvorhaben nach den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Vor Ort machte sich Theodor von Schön, der Oberpräsident von Westpreußen, die Wiederherstellung der Burg als ein Nationalmonument zu seiner Lebensaufgabe. Schinkel, der bei dem frühverstorbenen Friedrich Gilly gelernt und diesen hoch verehrt hatte, war unterdessen als Geheimer Oberbaurat für die Erhaltung der öffentlichen Denkmäler und Überreste alter Kunst in Preußen verantwortlich. 1820 zeichnete er einen Entwurf für das von Hardenberg gestiftete Fenster im Großen Remter (Kupferstichkabinett, Berlin). Für die Fenster eines weiteren Saals im Hochmeisterpalast, den sogenannten Sommerremter, wurden Carl Wilhelm Kolbe und Karl Wilhelm Wach mit Darstellungen zur Geschichte des Ordens betraut. Wenn Carl Wilhelm Kolbe den »Einzug des Hochmeisters Siegfried von Feuchtwangen mit seinen Rittern in die Marienburg« darstellt, antizipiert er zugleich die wiederhergestellte Burg. Siegfried von Feuchtwangen (Amtszeit 1303–1311) hatte 1309 seinen Hauptsitz auf die Marienburg verlegt und damit deren Blüte bewirkt. Der nationalen Bedeutung der Bauaufgabe entsprechend führten Kolbe wie Wach ihre Entwürfe dann auch in Öl aus und fanden dafür prominente Käufer. Später wurde diese erste Etappe der Restaurierung der Marienburg als die ›romantische Restaurierung‹ bezeichnet. | Angelika Wesenberg
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