Seit dem 10. Jahrhundert wird im November von der katholischen Kirche Allerseelen zum Gedächtnis der Verstorbenen mit der Fürbitte für ihre Seelen begangen. Von Region zu Region verbindet sich dieser Feiertag mit unterschiedlichem Brauchtum, zu dem unter anderem der Besuch von Grabstätten naher Verwandter zählt sowie das Schmücken der Gräber mit Blumen, Kerzen oder Strohkreuzen. Waldmüllers Darstellung zweier Frauen in Trauerkleidung, die vor einem gepflegten, blumengeschmücktem Grabhügel knien, ist in diesem Kontext zu verstehen. Dem Bild dürfte zudem ein Auftrag zugrunde liegen: Dafür sprechen die deutlich lesbaren Initialen »I. v. R.« auf dem Eisenkreuz sowie die porträthaften Züge der trauernden Frauen. Die sittenbildliche Darstellung erhält dadurch eine persönliche Bedeutungsebene, die im leicht sentimentalen Vortrag auf den schmerzlichen Verlust eines möglicherweise erst kürzlich verstorbenen Menschen verweist, des Vaters oder des Ehemanns der Dargestellten beispielsweise. – Nahezu unverändert wiederholte Waldmüller das Motiv im 1840 gemalten Bild »Johannisnacht«, auf dem die beiden Frauen am Standbild des heiligen Johann Nepomuk ins Gebet versunken sind (Sammlung Schäfer, Schweinfurt). | Gerd-Helge Vogel
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