»Er geht in dieser Genremanier zugrunde, wenn er nicht würdigere Aufgaben bekommt«, klagte seine Stiefmutter. »Darüber bin ich ganz klar – leider er auch« (zit. nach: H. Uhde-Bernays, Henriette Feuerbach, Berlin 1912, S. 258). Stets im Zwiespalt zwischen einem hohen Kunstanspruch und den Forderungen des Marktes hatte sich Feuerbach ein pragmatisches Programm zurechtgelegt: »Ich beginne ein großes Werk, und immer ein oder zwei elegante kleine Bilder, das ist bares Geld« (A. Feuerbach, Briefe an seine Mutter, Berlin 1911, S. 183–185). Aber mochte er noch so kühl über seine »modernen Damenbilder« als »die Blumen, die Geld bringen« (ebd., S. 188–190) spekulieren, sie setzen doch auf ihre Weise zu einer Poetisierung der Gegenwart an, die das Genrebild hinter sich läßt, eine Entwicklung, die – wenn auch viel umfassender – Gustave Courbet vollzog. Dabei mögen ihm auch Giorgiones »Frühstück im Freien« (Musée du Louvre, Paris) oder Tizians »Himmlische und irdische Liebe« (Galleria Borghese, Rom) Vorbilder geboten haben.
Die zitierten Briefstellen beziehen sich auf »Im Frühling« (Hamburger Kunsthalle), eine Komposition mit sechs Figuren, der Berliner gleich in Format und Motivik, doch im Querformat. Für die Landschaft des Berliner »Frühlingsbildes« griff er auf eine »Terrainstudie aus den Caracalla-Thermen« (1858, Hamburger Kunsthalle) zurück. In der Sitzenden rechts hat man die Sängerin Aglaja Orgeni erkennen wollen, die Feuerbach bei einem seiner regelmäßigen Aufenthalte in Deutschland bei Clara Schumann, einer Freundin seiner Stiefmutter, kennengelernt hatte.
Was bewirkt in dieser träumerischen Komposition die prekäre Schwebe zwischen Alltagsgegenwart und kontemplativer Zeitlosigkeit? Irritierend wirkt das Gleichgewicht zwischen Figuren und Landschaft. Handlung und Bewegung halten inne, der Klang der Laute scheint ebenso unbestimmt in der Luft zu verhallen wie das Heftchen (ein Gedichtband?) ungelesen bleibt. In der Symmetrie zweier aufgestützter Köpfe spiegelt sich das Melancholiemotiv ins Unendliche. Nebenher klingt wohl eine Allegorie der ›Fünf Sinne‹ (unter Aussparung des Geschmacks) an. | Claude Keisch
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