Mit dem Bildnis seiner Schwester Dorothea, verheiratete Kraus (1831–1910), erzielte Gustav Richter auf der Berliner Akademieausstellung von 1852 seinen ersten großen Erfolg und wurde zum begehrten Bildnismaler der Berliner Gesellschaft. Gerühmt wurden vor allem die festlich-elegante Sinnlichkeit und das raffinierte Kolorit seiner Damenbildnisse, doch wurde auch bald Kritik an der zunehmenden Veräußerlichung laut. Das Bildnis der Schwester gehört zu Richters persönlichsten und überzeugendsten Darstellungen. Hugo von Tschudi nahm es in die Jahrhundertausstellung von 1906 als einziges Werk von Richter auf; vor Ludwig Justis Augen fand es eine Generation später dennoch kein Erbarmen: »So sollte eine schöne Frau im Berliner Salon aussehen. Die gestellte Haltung, ›zum photographieren‹, die genau ausgeprobte Kopfhaltung, die wie zufällig wirken soll, der schneeige Busen, die van Dyck-Hände, der ernst gemeinte Ausdruck, in dem sich doch die undurchgeistigte Sinnlichkeit wenn nicht dieser Frau, so des Malers verrät – wie weit sind wir hier von Waldmüllers warmherziger ehrlicher Menschlichkeit, oder gar von der reinen Andacht in Schnorrs Bildnis der Frau von Quandt!« (L. Justi, Von Runge bis Thoma, Berlin 1932, S. 156). – Ein Aquarellbildnis der Schwester, datiert 1850, befindet sich in der Stiftung Stadtmuseum Berlin. | Angelika Wesenberg
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