Im Jahre 1901 erlebte Slevogt den Sänger d’Andrade (1856–1921) in Berlin als Don Giovanni. Das nach dieser Aufführung entstandene große Rollenporträt suchte Tschudi vergeblich für die Nationalgalerie zu erwerben. Dem sogenannten »Weißen d’Andrade« von 1902 (Staatsgalerie Stuttgart) folgte 1903 der »Schwarze d’Andrade« (Hamburger Kunsthalle). Dieses Bild, das zunächst in der Wohnung des Sängers hing, hätte Justi ebenfalls gern erworben. D’Andrade, um sein Bild fürchtend, bat Slevogt, doch eine weitere Fassung zu malen. »Slevogt hat wohl auch von vornherein an die Galerie gedacht. Er nahm eine ungewöhnlich große Leinwand und wählte einen besonders malerischen Eindruck: Don Giovanni auf dem Friedhof, den toten Komtur lästerlich einladend, ›o statua gentilissima´, den Degen lockernd; hinter ihm ängstlich Leporello«, notierte Justi in seinen Erinnerungen. Slevogt lud Justi sodann ein, das fertige Werk zu betrachten. »Er sagte mir, es scheine ihm das beste, das ihm bisher gelungen sei. Derselben Meinung waren auch andere Bewunderer Slevogts, Künstler wie Kenner. Man konnte sich nicht genugtun, die Feinheiten der Farbe und Malerei zu preisen. Heute betrachtet man sie nicht mehr mit der Aufregung von damals« (zit. nach: Ludwig Justi. Werden, Wirken, Wissen, Berlin 2000, Bd. 1, S. 280).
Die Ankaufskommission stimmte diesmal dem Ankauf zu. Dem Kaiser wurde eine Schwarzweiß-Aufnahme zur Genehmigung vorgelegt; er hatte keine Einwände. »Nach der überraschenden Zustimmung des Kaisers machte ich eine kleine Ausstellung neuer Erwerbungen, meine zweite, in der Querhalle des Erdgeschosses der National-Galerie, mit dem großen Slevogt als Hauptstück. Andrade stand bei der Eröffnung in persona davor« (Justi, zit. nach: 282). Mit diesem Ankauf schien Justi endlich der Anschluß an die Moderne wieder gegeben.
Bei allen drei Bildnissen d’Andrades ist das Vorbild von Manets Bildnis des Sängers »Faure« als Hamlet (Museum Folkwang, Essen) evident. Beide Akteure waren ihren Malern zudem gut bekannt, die befreundete Künstlerpersönlichkeit verschmolz so mit ihrer Rolle; es ist weniger ein Geschehen dargestellt, als der konkrete Interpret auf der Bühne. | Angelika Wesenberg
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