Die Hamburger Kunsthalle besaß um 1900 in Alfred Lichtwark einen besonders kunstpädagogisch aktiven Direktor. Ein wichtiger Bereich seines Konzeptes war der Aufbau einer Sammlung von Bildern aus Hamburg. Etwa dreißig Künstler porträtierten in seinem Auftrag bekannte Hamburger Bürger oder malten Ansichten der Stadt und ihrer Umgebung. Die entstandenen Werke sollten zu einer stärkeren kulturellen und historischen Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt beitragen. Zugleich erhoffte sich Lichtwark über das Interesse am vertrauten Motiv von den Besuchern der Kunsthalle eine größere Offenheit modernen Kunstformen gegenüber. Lichtwark vermittelte die Aufträge an von ihm hochgeschätzte Maler. In diesem Zusammenhang entstanden ähnliche Ansichten der Hamburger Alster von Max Liebermann (1910) und Pierre Bonnard (1913), und Slevogt malte neben dem Bildnis von Senator William Henry O’Swald diese und einige weitere Alsterlandschaften für die Hamburger Kunsthalle.
Hatten Liebermann zu seinem Bild »Sommerabend an der Alster« (Kunsthalle Hamburg) die eleganten Damen in ihren Booten gereizt, spielte für Slevogt die menschliche Gestalt so gut wie gar keine Rolle. Ihn interessierte Atmosphärisches: das Verschwimmen der Konturen am jenseitigen Ufer, das Spiegelverhältnis von Wasser und Himmel, die Veränderungen der Farben und des Lichts am Abend. Er hält eine offene, bewegte Szene in lebhaften Pinselstrichen und leuchtenden Farben fest. Er malt die Hansestadt als Freizeitort, nur die fernen Lichter und Türme weisen auf eine Stadt hin. | Angelika Wesenberg
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