Bereits während der Weimarer Studienzeit entstand dieses frühe Meisterwerk des Malers. Noch fremden Einflüssen unterliegend, läßt es Künftiges doch erahnen. 1871 hatte Liebermann mit Theodor Hagen den Modemaler Mihály von Munkácsy in Düsseldorf besucht. In dessen Atelier sahen sie das fast vollendete Gemälde »Charpiezupferinnen« (Szépművészeti Múzeum, Budapest), das Liebermann nachhaltig beeindruckte. Als der Ateliergenosse Thomas Herbst von einer Studienfahrt eine Zeichnung Gänse rupfender Frauen mitbrachte (Verbleib unbekannt), hatte Liebermann sein Motiv gefunden. Von dieser Vorlage übernahm er die Gesamtkomposition und von Munkácsy die Malweise. Detailstudien für das Bild fertigte er in Weimar an, als Vorlage für die männliche Figur verwendete er eine eigene Zeichnung des letzten Kutschers von Goethe – Liebermanns Studentenwohnung in Weimar befand sich gegenüber dem Goethehaus. »Gänserupferinnen« ist das erste Bild, das der 25jährige Liebermann öffentlich ausstellte. Es wurde wegen des ›ärmlichen‹ Motivs und der dunklen Farbigkeit abgelehnt und verspottet, in dem Eisenbahnmillionär Strousberg aber fand es einen Käufer. Mit dem Erlös reiste Liebermann nach Paris und sah dort erstmals Bilder von Millet und Courbet. Nach dem Bankrott Strousbergs erwarb Louis Liebermann, der Vater des Malers, das Bild. Als dessen Vermächtnis gelangte es 1894 in die Nationalgalerie. | Angelika Wesenberg
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