Im Oktober 1895 war der in der Münchner Secession beheimatete Victor Weishaupt als Nachfolger von Hermann Zügel zum Professor für Tiermalerei an die Akademie in Karlsruhe berufen worden. Auf den ersten Ausstellungen in Karlsruhe reüssierte er mit einem Kuhbild, einer Spezialität seines berühmten Vorgängers, und konnte gerade daher nicht auf Lob hoffen. Schon nach der Ausstellung im Kunstverein hieß es über das Gemälde »Grasende Kühe«, es sei »wohl gerade kein hervorragendes Werk des Meisters« (Die Kunst für Alle, 11. Jg., 1896, H. 7, S. 106), und im Mai 1896, anläßlich der Gesamtschau der für die Internationale Kunstausstellung in Berlin bestimmten Bilder: »Ebenso lassen uns Professor Weishaupts Tierstücke, so naturwahr und tüchtig sie auch sonst sein mögen, den Abgang des genialen Zügel schmerzlich vermissen« (ebd., H. 16, S. 253). Aus dieser Berliner Ausstellung wurde das Bild »Vorfrühling« während des Rundganges Kaiser Wilhelms II. mit dem neu ernannten Direktor Hugo von Tschudi ausgewählt und mit Mitteln aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds erworben. Die Ausstellung zeigte keine Bilder etwa von Max Liebermann oder Fritz von Uhde, so daß Weishaupts Bild von Tschudi sicher als relativ modernes Bild akzeptiert wurde. Ende des Jahres war es zusammen mit den aufregend neuen Bildern der französischen Impressionisten in einer kleinen Ausstellung im Mittelgeschoß der Nationalgalerie zu sehen. Wie diese wird es im Katalog als Farbereignis beschrieben: »In den Obstgarten eines Bauernhofes fällt das helle Sonnenlicht eines frischen Tages, glänzt auf dem Rücken zweier hier weidenden Kühe und glitzert auf dem feuchten Gras und an dem kahlen Geäst der Bäume. Zwischen diesen durch sieht man den weißen Frühlingshimmel, die dunkle Silhouette eines Gehöftes und in der Ferne das hellrote Dach eines Schuppens« (Ausstellung der neuen Erwerbungen, Ausst.-Kat., Berlin 1896, Kat.-Nr. 46). | Angelika Wesenberg
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