Auf die grellen Lichter der Großstadt wird die Malerei noch bis kurz vor der Jahrhundertwende warten müssen. Noch ist es, auch bei Menzel, die so suggestive, milde blaue Nacht der Romantik, die den Stadtraum erfüllt, selbst wenn sie sich auf eine moderne Baustelle senkt (vgl. »Anhalter Bahnhof bei Mondschein«, um 1845/46, Museum Oskar Reinhart, Winterthur). Über Menzels Friedrichsgracht bleibt der Mond körperlos, er ist nur Licht, das aus einer Zone jenseits des Dunstes hervordringt und diesen erhellt.
Die Friedrichsgracht, die die alte Fischersiedlung Cölln westlich begrenzt, lag von Menzels Wohnung in der Ritterstraße nicht weit entfernt. Man hat den gedachten – nicht beim Malen eingenommenen – Standpunkt auf der Roß- oder der Grünstraßenbrücke vermutet und aus dem hoch stehenden Mond und dem Nebel auf eine Herbstnacht geschlossen (vgl. Die Kunst für Alle, 33. Jg., 1917, S. 103). In einer anderen Arbeit von 1859 plazierte Menzel auf einer Brücke in derselben Gegend eine Ganzfigur Chodowieckis (Museum Georg Schäfer, Schweinfurt). In unserem Bild erfaßt der Blick nach Süden zuerst Kähne und gleitet über die dunkle Wasserfläche bis zu einer Flußbiegung, in der sich nebelverhangene, spärlich erleuchtete Häuser zeigen. Die Stimmungseinheit des Bildes wird davon bestimmt, wie unter dem von kleinen rötlichen Lichtpunkten überstreuten, in langen parallelen Strichen aufgetragenen und stellenweise zerschabten Nachtblau das Braun der Untermalung immer wieder hervorschimmert. | Claude Keisch
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