»Karl Ludwig Friedrich Becker was one of the greatest of the modern German painters of historical and genre subjects«, rühmte die New York Times am 21. Dezember 1900 im Nachruf auf den Künstler. In der Tat gehört Becker zu den großen akademischen Historienmalern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben seinen venezianischen Genrebildern stattete er den Niobidensaal des Neuen Museums in Berlin mit Wandmalereien aus und schuf zahlreiche Gemälde zu Themen der deutschen Renaissance. Wie sein Münchner Kollege Carl von Piloty lieferte er gekonnte Inszenierungen von Geschichte. Durch höchste Genauigkeit im Detail und eine fast fotografisch anmutende Darstellungstreue gelang es ihm, bei den Betrachtern den Eindruck zu erwecken, Zeuge des bedeutenden Geschichtsereignisses gewesen zu sein. Der fein lasierende Pinselauftrag, hinter dem die persönliche Pinselschrift zurücktritt, unterstreicht diesen Eindruck des ›Dokumentarischen‹.
»Kaiser Karl V. bei Jakob Fugger« schildert einen Moment aus der altdeutschen Geschichte: Kurz vor seinem Tod 1525 verbrannte Jakob Fugger die Schuldscheine Karls V. vor dessen Augen – hier in Gegenwart des Kardinals Granvella, eines Ritters und der Tochter Fuggers, die dem Kaiser Wein serviert. Der Legende nach nahm der alte Kaufmann dafür kein normales Brennholz, sondern teure Zimtstangen, um dem bankrotten Herrscher seine wirtschaftliche Macht noch deutlicher vor Augen zu führen. Becker verzichtet allerdings auf dieses Detail und schürt im Gemälde das Kaminfeuer ausschließlich mit Holzscheiten. – 1871, wahrscheinlich von Beckers Gemälde angeregt, schuf der österreichische Historienmaler Wilhelm Koller ein im Aufbau vergleichbares Gemälde zu dem Thema (Öl auf Holz, 28 × 40,5 cm, Versteigerung bei Sotheby’s, London, 23.10.1996, Los 380). | Regina Freyberger
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