Wie eine Jahrmarktsattraktion steht die sensationelle, angeblich schon in ganz Europa erprobte Rasiermühle vor uns. Im Inneren von einem angepflockten Dromedar in Gang gehalten, verpaßt dieses mechanische Karussell vielen Herren gleichzeitig eine Naßrasur oder einen modischen Kurzhaarschnitt nach antikem Vorbild, je nachdem, wie die kreisrunden Öffnungen mit innenliegenden Schneidemessern genutzt werden. Zahlreiche Schaulustige und Kunden haben sich eingefunden, um die Maschine und ihre Ergebnisse zu bewundern. Das Blatt variiert eine wesentlich ältere, anonyme englische Darstellung A Perspective View and Section of the Engine which will shave Sixty Men à Minute, zu der 1745 eine ausführliche Erklärung gedruckt wurde. Neben der detaillierten Beschreibung der technischen Einzelheiten betont der Text die moralischen Vorteile der angeblich von einem Priester der anglikanischen Kirche erfundenen Maschine: Da nun viele Männer gleichzeitig rasiert werden und zugleich ihre Perücken pflegen lassen könnten, wären die Barbiere fortan am "heiligen Sonntag" wieder arbeitsfrei. Da die englische Graphik und der zugehörige Text in französischer Übersetzung in der Pariser Nationalbibliothek (TF 17, Bl. 43, MF R 079812) erhalten sind, kann davon ausgegangen werden, daß das Motiv in Frankreich seither bekannt war. Möglicherweise liegt der aktuelle Anlaß für die Neuinterpretation des außergewöhnlichen Motivs nicht allein in einer harmlosen Satire gegen die neuen Modefrisuren à la Titus. Eine zeitpolitische Anspielung auf die Machine infernale, die beim mißglückten Attentat gegen Napoleon im Dezember 1800 verwendet wurde, wäre vorstellbar.
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